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Traditioneller Umzug in Friesdorf Traditioneller Umzug in Friesdorf: Der Erbsbär ist erwacht und vertreibt den Winter

Von Susann Salzmann 10.01.2016, 18:07
Seit Generationen: Der Erbsbär und seine Begleitung ziehen durch das Dorf, um den Winter zu vertreiben.
Seit Generationen: Der Erbsbär und seine Begleitung ziehen durch das Dorf, um den Winter zu vertreiben. Salzmann Lizenz

Friesdorf - Den Status als Wiederholungstäter innezuhaben, muss nicht unbedingt Negatives bedeuten. Bei einem bärigen Wiederholungstäter wie in Friesdorf ist das von vornherein auszuschließen. Und doch gibt es für den „neuen, alten“ Erbsbären im zweiten Amtsjahr auch zwei Premieren: ein neues Kostüm und eine besondere Stippvisite bei der Dorfältesten, Käthe Fiedler.

Erwartungsfroh in der Tür stehend und lächelnd, tritt der „eingewickelte“ Matthias Helbing vor die Frau, die vor knapp zwei Wochen ihren 100. Geburtstag gefeiert hat. Der Treppenaufgang ist schmal. Helbing, durch die unzähligen Büschel von Erbsstroh an Gewicht und vor allem an Breite zugelegt, zwängt sich den Treppenaufgang hinauf.

Der Bären-Winterschlaf endet in Friesdorf traditionell am zweiten Wochenende eines jeden Jahres. An diesem Tag begrüßen die Einwohner des Ortes seit Generationen das Neue Jahr. Ein Umzug durchs Dorf mit Erbsbär, Hexe und Bärenführer endet im örtlichen Gasthof, wo sich die Teilnehmer aufwärmen können.

Das traditionelle Tanzdebüt – das weiß auch Fiedler – gibt der Bär selbstverständlich mit der Hexe, in dessen Rolle zum diesmaligen Groß Neujahr Ronny Braune geschlüpft ist. Eine Umarmung aber bricht nicht mit den Traditionen und liegt in der Handlungs-, oder besser Leinenfreiheit des Bären.

„Ich freue mich sehr über euren Besuch“

Eine grüne Hundeleine liegt um den Hals. Bärenfänger Thomas Hahn behält die Leine fest in der Hand - gewappnet für den Notfall, falls der Bär buchstäblich aus der Reihe tanzt.

Erbsbär und Neujahrsbeginn gehört in Friesdorf untrennbar zusammen. „Ich freue mich sehr über euren Besuch“, meint die Dorfälteste und packt den Bären beim neuen Fell. Ein Ort lebt durch und von den Traditionen. Die Gewähr, dass der Erbsbär auch in den nächsten Jahren durch die Gassen tanzen wird, wurde nun mit einem neuen Erbsstrohfell besiegelt.

„Das stammt vom Popperöder Acker“, erzählt Peter Miosge. „Gesponsert von der Agrargenossenschaft.“ Die Burschen wissen das zu schätzen. Erbsstroh sei nämlich immer schwieriger zu bekommen.

Rund 15 Kilo trägt Helbing über normaler Kleidung und einer Arbeitskombi. Letztere wurde für kleines Geld ebenfalls neu angeschafft. Was Helbing während des Umzuges eine Last ist, war für Rosemarie Teichmann aufwendige Näharbeit. Mit einer Freundin hat sie die Strohbüschel an die Kombi genäht. Fünf Stunden lang.

Für Helbing ist das Tragen eine Ehre. Wie schon die vorherige Aufmachung reicht das Erbsstroh von Hals bis zu den Knöcheln. Bei Umzügen wie diesem - mit Temperaturen um den Nullpunkt, Schnee und Regen - ist der Erbsbär wohl der einzige, der schwitzt statt zu friert.

Anforderungen müssen erfüllt sein

Der Bär sterbe nicht aus, sagt Miosge. Lediglich der „Kostüminhaber“ wird von Zeit zu Zeit wechseln. In jedem Jahr einen anderen zum Bären zu erklären, sei nicht zwingend notwendig. Jeder kann, so oft er will. Vorausgesetzt, man erfüllt die Anforderungen für das spaßige Treiben.

Zaungast Carsten Pilz erfüllt ein bedeutsames Kriterium nicht mehr: Er ist nicht mehr unverheiratet. Schön anzusehen sei es, aber er selbst sei froh, dass er um das Friesdorf'sche Privileg herumgekommen ist. Und der Sohn Fabian fühlt sich ohne Fell wohler, obwohl er in der Vergangenheit bereits die Posten des Bärenfängers und des Burschen bekleidete.

Welches „Neujahrs-Amt“ Helbing im kommenden Jahr einnehmen wird, sei noch unklar. Vermutlich nicht mehr den des Bären. „Dieses Jahr habe ich es nochmals gemacht, weil es natürlich Spaß macht“, brummt er hinter seiner Pappmaché-Maske. Vielleicht weiß er aber schon jetzt, dass er im kommenden Jahr nicht mehr die Voraussetzungen zum Burschen-Bären erfüllt? (mz)

Die Zaungäste
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