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Neuer Laden in Roda Neuer Laden in Roda: Ortsbürgermeister Detto hat sein Tattoo-Versprechen gehalten

Von Anke Losack 18.07.2016, 14:00
Sanderslebens Ortsbürgermeister Harald Detto ließ sich sein erstes Tattoo stechen.
Sanderslebens Ortsbürgermeister Harald Detto ließ sich sein erstes Tattoo stechen. Klaus Winterfeld

Roda - Die Anspannung war Harald Detto anzumerken. Auf einem Stuhl sitzend, den linken Arm unbekleidet auf eine Armlehne gelegt, versuchte sich der Ortsbürgermeister von Sandersleben mit markigen Sprüchen aufzumuntern: „Es ist ähnlich wie beim Blutspenden, bloß da hat man eine nette Krankenschwester.“

Ihm gegenüber nahm kurz darauf ein Mann Platz, der es auf seinen Oberarm abgesehen hatte. Matthias Seebo - groß, stämmig, tätowiert. Ein Tattoo, das blühte auch Harald Detto. Er löste ein Versprechen ein, das er Seebo gegenüber aus einer Laune heraus gemacht hatte.

Vor etwas mehr als einem Jahr war Harald Detto bei einem Fest in Sandersleben mit Matthias Seebo, der bis vor Kurzem ein Tattoo-Geschäft in Bernburg betrieb, ins Gespräch gekommen und hatte sich mit einer Aussage weit aus dem Fenster gelehnt: „Ich habe Matthi gesagt, wenn er einen Laden in Sandersleben eröffnen würde, würde ich mich bei ihm tätowieren lassen.“

Pläne waren schon geschmiedet

Detto sagte das ohne zu wissen, dass Matthias Seebo und seine Lebensgefährtin Melanie Bodendieck diese Pläne bereits hatten. Im Sanderslebener Ortsteil Roda, wo sie seit etwa zehn Jahren wohnen, sollte das Geschäft entstehen.

Seebo, der einer der Besten seines Fachs ist - mehrfach preisgekrönt und Stammteilnehmer auf großen Conventions dieser Welt in Las Vegas, Los Angeles oder Moskau - nahm den Ortsbürgermeister beim Wort. Zur Eröffnung der „Phoenix-Tattoo-Ranch“ am Samstag in Roda wurde Harald Detto tätowiert.

Mehrere hundert Gäste

Seit 10. Juni ist Seebos Tattoo-Geschäft in Bernburg geschlossen. Obwohl die Neueröffnungsfeier in Roda erst kurzfristig im sozialen Netzwerk bekannt gemacht wurde, kamen mehrere hundert Gäste. Freunde, Nachbarn und Kunden brachten Präsente, wünschten alles Gute für den Laden, vereinbarten Termine oder ließen sich spontan ein Tattoo stechen. Gast-Tätowierer aus Deutschland, Österreich und Südkorea unterstützten Seebo, denn der schwirrte über das Gelände, um Gäste zu begrüßen, zu plauschen - und er musste zwischendurch noch einmal nach Bernburg. „Ich muss dort noch ein bisschen was aus dem Studio holen.“

In den vergangenen Wochen habe ihr Freund kaum Zeit gehabt, erzählt Melanie Bodendieck. Jeden Tag bis in die Nacht habe Matthias Seebo mit Handwerkern zugebracht, um das neue Studio herzurichten. Parkplätze wurden im Hof geschaffen, eine Garage komplett um - und ausgebaut.

Sie hätten keine Stunde weniger arbeiten dürfen, dann hätten man den Eröffnungstermin nicht geschafft, meint die 36-Jährige, die wie sie sagt froh ist, dass ihr Lebensgefährte jetzt in ihrer Nähe arbeiten kann. „Es könnte sein, dass ich wieder auf Hilfe angewiesen bin, von heute auf morgen. Ich werde nicht wieder gesund“, erzählt Bodendieck, die seit einigen Jahren krank ist und mit ihrem Freund zu den Gründern des Vereins „Laut gegen Krebs“ gehört.

Neues Studio, um näher bei kranker Freundin zu sein

Aufgrund ihrer Erkrankung sei es in der Vergangenheit vorgekommen, dass sie tagelang zu Hause nichts machen konnte. „Ich lag nur auf dem Sofa. Noch nicht einmal etwas zu essen konnte ich mir machen.“ Ihr Freund musste aber auch ins Studio nach Bernburg. Wie Matthias Seebo sagt, sei es ihm bei den Gedanken, dass mit seiner Freundin etwas passieren könnte, nicht gut gegangen. So fassten beide den Entschluss, das Tattoo-Studio nach Roda zu verlegen. Zum Schrecken des Ortsbürgermeisters Harald Detto, gibt der lachend zu.

Alle Versuche Dettos, aus der Nummer wieder herauszukommen, scheiterten. Dass ihn Matthias Seebo bei der Begrüßung am Samstag als sein „Opfer“ bezeichnete, fand der Ortsbürgermeister nicht gerade einfühlsam. Doch auf dem Stuhl war er tapfer - beziehungsweise lenkte er sich geschickt ab, indem er Matthias Seebo in Gespräche verwickelte. „Zahnarzt ist schlimmer“, meinte Detto nach der Sitzung.

In nicht einmal zehn Minuten hatte Seebo das Wort „liberta“ (Freiheit auf italienisch), das sich Detto ausgesucht hatte, auf den Oberarm gebracht. „Freiheit bedeutet mir viel. Das Wort auf italienisch habe ich gewählt, weil ich sehr wahrscheinlich italienische Wurzeln habe“, begründet er seine Wahl.

Auf Nachfrage von anwesenden Sanderslebenern, ob sich der Ortsbürgermeister als nächstes das Rathaus oder das Wappen von Sandersleben tätowieren lassen würde, blockte Harald Detto ab. „Ich werde mir in Zukunft reiflich überlegen, was ich sage und verspreche“, meinte er und lachte. (mz)

Sanderslebens Ortsbürgermeister Harald Detto ließ sich sein erstes Tattoo stechen: „Liberta“ steht auf dem Oberarm.
Sanderslebens Ortsbürgermeister Harald Detto ließ sich sein erstes Tattoo stechen: „Liberta“ steht auf dem Oberarm.
Klaus Winterfeld
Matthias Seebos Lebensgefährtin Melanie Bodendieck
Matthias Seebos Lebensgefährtin Melanie Bodendieck
Klaus Winterfeld
Tätowierer Matthias Seebo
Tätowierer Matthias Seebo
Klaus Winterfeld