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Integration im Mansfelder Land Integration im Mansfelder Land: Russische Seele in Hettstedt

Von Wladimir Kleschtschow 31.08.2015, 17:51
Wladimir und Gabriele (M.) Fokin mit Schwestern Annett Weise und Sabine Christel. Neben dem Ehepaar sind in der Praxis vier Beschäftigte tätig.
Wladimir und Gabriele (M.) Fokin mit Schwestern Annett Weise und Sabine Christel. Neben dem Ehepaar sind in der Praxis vier Beschäftigte tätig. Winterfeld Lizenz

Hettstedt - Stellen Sie sich vor, Sie gehen zu einem Zahnarzt und der spricht kaum ein Wort Deutsch. Selbst das einfache „Nehmen Sie Platz“ bietet er den Patienten nicht verbal, sondern als vorgefertigten Satz auf Papier.

Genau in so einer Situation war Wladimir Fokin vor 40 Jahren - in der des Zahnarztes. Am 2. September 1975 begann seine Berufslaufbahn in Hettstedt, nachdem der aus dem Kosaken-Gebiet zwischen Wolga und Don stammende Russe sein Medizin-Studium in Wolgograd mit Auszeichnung absolviert hat. Der junge Stomatologe war ein „Mitbringsel“ seiner Kommilitonin Gabriele Sturm aus Helbra. Noch während des Studiums hatten beide geheiratet und ihr erstes Kind, die Tochter Dina, bekommen.

Zu DDR-Zeiten hat es Wladimir Fokin bis zum Oberarzt gebracht. Die Wende bedeutete für ihn und seine Frau, beide promoviert, eine gewaltige Umstellung: „Kredite, Abrechnungen - das alles kannten wir doch nicht.“

Heute sind beide erfolgreich in ihrer stomatologischen Praxis in Hettstedt tätig. Sie lieben ihren Beruf. „Eigentlich werden wir zweifach belohnt: Mit Geld und mit Freude an Arbeit“, sagt Wladimir Fokin.  (wkl)

„In den ersten zwei Jahren war es am schwersten“, beschreibt Wladimir Fokin, Jahrgang 1948, den Beginn seiner Integration in der Fremde. Schwer war die sprachliche Verständigung, anders die Mentalität der Menschen. Und außerdem: Sein Vater hat an der Front gegen das Nazi-Deutschland gekämpft und verstand nicht, dass der Sohn ausgerechnet in Deutschland lebt. In der UdSSR sagte man im Alltag meistens auch für die DDR einfach nur „Germanija“.

Die Zeit verging, die Sprache war irgendwann kein Problem mehr. Die hiesige Mentalität auch. Heute redet Fokin nicht nur von der deutschen Seele, sondern von der der Menschen im Mansfeldischen, die sich ihm erschloss. „Die Leute hier sind gradlinig und direkt“, sagt er. „Wenn sie jemanden für dumm halten, sagen sie es ohne Umschweife. Es dauert lange, bis sie einen in ihre Reihen aufnehmen. Wenn sie das aber einmal getan haben, dann für immer.“

So wie sie ihn aufgenommen haben. Denn längst ist Fokin bei den Hettstedtern einer von ihnen. Dass er und seine Frau gute Zahnärzte sind, hat sicherlich dazu beigetragen. Aber bei weitem nicht nur das. Hans Kirnich und Harry Olejnik bringen ihrerseits das Wort „Seele“ ins Spiel - die russische Seele. Diese ist für sie mit der Person Fokins verbunden.

„Ich bin sein Patient“, sagt Olejnik, der wie Kirnich mit dem Arzt auch privat verkehrt. „Er heilt aber nicht nur Zähne. Seine Offenheit, Ruhe, Freundlichkeit, seine philosophische Lebenseinstellung tun gut. Es gab eine Zeit, da ging es mir insgesamt nicht besonders. Der Kontakt zu ihm tat wohl.“ „Mit meinen Patienten rede ich nie nur über ihre Zähne“, sagt auch Fokin. „Wir unterhalten uns über das Leben, über Probleme.“ So kommunizieren die deutsche und die russische Seele.

Gabriele und Wladimir Fokin haben zwei erwachsene Kinder - den Erstling Dina und den Sohn Denis - zwei Enkel, Louis (18) und Henri (12). Der Russe aus Wolgograd hat sich hierzulande voll integriert. Integriert bedeutet aber nicht eingedeutscht. Russland, das Land seiner Kindheit und Jugend, vergisst der Doktor nicht. Regelmäßig fährt er ins kleine Dorf, wo sein Bruder lebt, trifft sich mit alten Freunden. Auch seine Kinder und Enkel lieben Russland und fahren gern hin. Auch sie tragen wohl ein wenig von der russischen Seele in sich. (mz)

Wladimir Fokin als junger Arzt mit zwei Schwestern.
Wladimir Fokin als junger Arzt mit zwei Schwestern.
Privat Lizenz