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„KRFT-BIER“ In Hettstedt haben drei Freunde eine Garagenbrauerei gegründet

Mit Video: André Fingas, Carlo Walter und Martin Busch haben gemeinsam ein Bier-Start-up in Hettstedt gegründet. Wie die drei Freunde aus dem Mansfelder Land auf die Idee kamen.

Von Tina Edler Aktualisiert: 18.11.2022, 12:12
Martin Busch, Carlo Walter und  André Fingas haben sich der Braukunst verschrieben und das „Krft-Bier“ kreiert.
Martin Busch, Carlo Walter und André Fingas haben sich der Braukunst verschrieben und das „Krft-Bier“ kreiert. (Foto: Maik Schumann)

In Amerika heißt es, dass die guten Ideen für Firmengründungen in den Garagen geschmiedet werden. Ford, Walt Disney und Barbie sind nur einige Beispiele für solche Erfolgsgeschichten. Gut, der Hettstedter Stadtteil Molmeck ist jetzt nicht unbedingt Amerika, aber immerhin fungiert auch hier eine Garage als Mittelpunkt eines neuen Start-ups: das „Krft-Bier“ aus Hettstedt.

André Fingas (36), Martin Busch (38) und Carlo Walter (34) sind die drei Gesichter hinter dem neuen Unternehmen, das sie im Mai dieses Jahres als Kleingewerbe offiziell angemeldet haben. „Wobei, wir können auch nur existieren, weil so viele Freunde, Verwandte und Bekannte hinter uns stehen, und auch helfen“, sagt Fingas. Seine Garage ist der Dreh- und Angelpunkt der Brauerei.

Fässer und Malzsäcke zieren das Bild im Inneren ebenso wie Gärtöpfe und kistenweise Flaschen mit bunten Deckeln. Es riecht nach süßem Malz und das Brummen von Bierpumpen und Gerätemotoren wechselt sich mit dem Klacken eines Kronkorkenverschließers ab. Mit dem werden bei bis zu 130 Liter Bier in Flaschen an einem Tag per Hand die Deckel aufgesetzt. Dazu kommen noch Abfüllungen in Fässern. „Wir brauen so zwischen 400 und 450 Liter an einem Tag. Gebraut wird zweimal im Monat“, erklärt Fingas.

Knapp 15 Sorten innerhalb eines Jahres getestet

Vor zwei Jahren hätte noch niemand an solche Mengen gedacht, gesteht er. Denn am Anfang der Idee sei es darum gegangenen, „etwas Eigenes zu kreieren und einfach Spaß zu haben“, sagt Fingas. Der Spaß sei heute durchweg noch geblieben. Allerdings werde nun nicht mehr so viel Bier nebenbei getrunken wie in den Anfängen des Brauereiprojekts, ergänzt Walter mit einem Augenzwinkern.

Die Herstellung von mehreren Hundert Litern Bier erfordert nämlich einiges an Konzentration und Arbeitseinsatz. Alle 20 Minuten erinnert ein Timer daran, den Hopfen nachzufüllen. Zwischendurch muss das heiße Biergemisch abgelöscht werden, damit es nicht überkocht. Und wenn die Flaschen abgefüllt werden, ist echte Körperkraft gefragt, sobald der mechanische Verschließer für die Kronkorken zum Einsatz kommt.

Martin Busch am Kronkorkenverschließer.
Martin Busch am Kronkorkenverschließer.
(Foto: Schumann)

Wissen und Techniken haben sich Walter, Busch und Fingas Stück für Stück angeeignet und erarbeitet. Wobei die drei Freunde keineswegs ohne Vorerfahrungen in das Projekt gestartet sind. Walter hatte vor Jahren einen eigenen Apfelcider-Hof, Busch vor sieben Jahren das Bierbrauen im Privatbereich getestet und Fingas holte sich seine ersten Inspirationen während seiner Arbeit in der Schweiz, wo er einem Kollegen, der selbst ein Bier-Start-up gegründet hatte, über die Schulter schaute.

Vereint im Mansfelder Land warfen die drei ihr Wissen in einen Topf und versuchten sich an den ersten eigenen Biersorten. „Es hat tatsächlich von Anfang an immer geschmeckt“, sagt Fingas. „Aber die richtigen Parameter zu finden, brauchte Zeit“, ergänzt Walter. Wie viel von welcher Zutat wird benötigt? Wann muss das erste kochende Gemisch abgeschreckt werden? Wann ist der richtige Moment zum Abkühlen des Biers? Das, und vieles mehr, galt es herauszufinden. Knapp 15 verschiedene Sorten entstanden so innerhalb eines Jahres, variiert durch unterschiedliche Zutaten und Rezepte.

Am Ende entschieden sich die Bierbrauer für fünf Sorten, die vom klassischen Heimatpils bis hin zum „Nelson“ - benannt nach dem darin verwendeten neuseeländischen Hopfen - reichen. Bei der Wahl halfen indirekt auch die Geschmacksvorlieben von Freunden und Verwandten, die immer wieder in den Genuss des Gerstensaftes kamen und auch den Anstoß für die Gewerbegründung gaben. „Unser Geschmack scheint vielen zu schmecken. Die Leute haben es gerne getrunken und wollten mehr. Unsere Motivation entstand aus diesem Zuspruch heraus“, resümiert Walter.

Die Maische gärt im Maischekessel.
Die Maische gärt im Maischekessel.
(Foto: Schumann)

Dabei setzten die „Krft“-Produzenten von Anfang an auf Zutaten aus Sachsen-Anhalt. „Die regionale Geschichte war für uns immer im Vordergrund. Drei Biere sind deswegen rein aus Sachsen-Anhalt“, sagt Fingas. Außerdem stehen Natürlichkeit und Nachhaltigkeit für die Brauer im Fokus. Es werden naturtrübe Biere hergestellt, die nur bis zu einem gewissen Grad gefiltert sind. Die Siebe sind aus Edelstahl und damit frei von Plastik, und die Hälfte der Geräte läuft energieeffizient über Sonnenstrom. „Das reine Brauen geht darüber noch nicht, weil wir mehr Leistung bräuchten. Aber Gefrierschränke, Kühler und Licht laufen über Solar“, sagt Fingas.

Erste öffentliche Auftritte bei Stadtfesten gehabt

Ob die Technik einmal ganz umgestellt wird, das sei noch Zukunftsmusik in der kleinen Garagenbrauerei. Ebenso wie der Weg, den das Kleinunternehmen selbst gehen wird. „Man muss erstmal abwarten, wie sich alles entwickelt. Der Schritt zu einer großen Brauerei wäre ein riesiger Schritt und eine komplette Umstellung“, sagt Fingas. Deswegen betreiben die drei ihr Gewerbe vorerst nebenberuflich und gehen im Alltag ihren Arbeiten in der Lebensmittelindustrie, im Schmelzwerk und im Industriedesign nach.

Mit der Anmeldung des Gewerbes kamen aber bereits die ersten öffentlichen Einsätze. Bei Veranstaltungen wie dem Molmecker Stadtfest, „Hettstedt erblüht“ und dem Bauernmarkt im Tierpark Walbeck waren sie bereits vertreten. Auch regionale Partner, die das in Flaschen abgefüllte Bier verkaufen, waren schnell gefunden. Und als neuester Clou gibt es Mützen, T-Shirts und Co. mit dem „Krft“-Logo.

Carlo Walter hat die Logos für das Start-up entworfen.
Carlo Walter hat die Logos für das Start-up entworfen.
(Foto: Schumann)

Der Name sei übrigens eine lose Aneinanderreihung von Buchstaben, die unter anderem für Kreativität und Kultur, für Freundschaft und die Regionalität stünden. Eine wirkliche Übersetzung gebe es nicht. „Aber jeder kann da reininterpretieren, was er will“, sagt Walter.

Kontakt zu den Bierbrauern gibt es unter: 0157/30 22 33 78. Verkauft wird das Bier im Genussladen Hettstedt, bei der Fleischerei Reinecke in Arnstedt und im Bioladen an der Kaffeerösterei Aschersleben.

Über die Geschichte des Bierbrauens in Hettstedt

Seit dem 29. September 1434 besitzt die Stadt Hettstedt das Brauprivileg, das durch den Grafen Volrat V. von Mansfeld, verliehen wurde. Zuvor wurde zwar bereits durch Klöster und später durch die Städte je nach Bedarf Bier gebraut und ausgeschenkt, mit dem offiziellen Privileg im Jahr 1434 hatte nun aber ausschließlich der Rat das Recht, fremdes Bier und Wein auszuschenken, schreibt Hettstedts Stadtchronist Otto Spieler in seinen Chroniken.

Spieler, Vorsitzender des Vereins Braukommune Hettstedt, die ihren Sitz im alten Brauhaus am Busbahnhof (Vöhringer Platz) hat, hat nicht nur die Geschichte des Bieres aus Hettstedt aufgeschrieben, sondern führt sie noch heute weiter. Denn das traditionelle Hettstedter Zapfenbier, das im 15. Jahrhundert nur im Ratskeller und zwei weiteren Einrichtungen ausgeschenkt werden durfte, wird von der Braukommune noch heute serviert - zum Beispiel zum Zwiebelmarkt und dem Tag des offenen Denkmals.

Das Brauhaus in Hettstedt
Das Brauhaus in Hettstedt
(Foto: Jürgen Lukaschek)

Übrigens wird das Zapfenbier, in Anlehnung an eine alte Rezeptur, aus den zwei Sorten - dem „Pubarschknall“ (einem Braunbier) und dem „Knuttenforz“ (einem Schwarzbier) - in der Quedlinburger Brauerei Lüdde hergestellt. Im Hettstedter Brauhaus haben Spieler und seine Mitstreiter zudem ein Museum auf zwei Etagen eingerichtet, das neben der Bergbau- und Stadtgeschichte, auch die der Brauereikunst wiedergibt.