Hoffen auf Toleranz Hoffen auf Toleranz: Flüchtlinge aus Syrien in Hettstedt eingetroffen

Hettstedt - „Your passport“, fordert eine Mitarbeiterin des Vereins Pegasus den 23 Jahre alten Mustafa auf, ihr seinen Reisepass zu geben. Sie sitzt im Eingangsbereich eines ehemaligen Verwaltungsgebäudes hinter einem Tisch, auf dem Zettel liegen. Auf einem trägt sie seine Personalien ein. Er muss unterschreiben. Dann wird ihm sein Zimmer gezeigt. Drei Betten stehen darin. Auf jedem Handtücher, Bettwäsche, Pfannen- und Topfset sowie Geschirr. Mustafa stellt seine Tasche ab. Und schon gleich kommen seine neuen Zimmerkollegen, die das gleiche Prozedere am Eingang hinter sich haben, durch die Tür. Kalid, 23, und Amjad, 22. Sie kennen sich. Aus Halberstadt, wo sie rund einen Monat lang in Sachsen-Anhalts Zentraler Anlaufstelle für Flüchtlinge untergebracht waren. Nun ist Hettstedt ihr neues Domizil.
Gebäude wurde hergerichtet
Insgesamt 60 syrische Kriegsflüchtlinge sind am Mittwochnachmittag mit Bussen in der Kupferstadt angekommen. In einem ehemaligen Verwaltungsgebäude, das von einem Investor aus dem Harz gekauft und als Gemeinschaftsunterkunft hergerichtet wurde, werden sie nun leben. Wie lange, das ist ungewiss. Ob das Gebäude neu sei?, fragt Amjad. Wie Gerhard Bleile, der Generalunternehmer für die Herrichtung des Objektes im Auftrag des Eigentümers erzählt, wurde das Gebäude vier Monate lang saniert: Unter anderem wurden Sanitärbereiche installiert, Maler- und Fußbodenarbeiten durchgeführt sowie Elektrik, Heizung und Lüftung erneuert. Für die Ausstattung mit Einbauküchen auf jeder der drei Etagen, Stühlen, Tischen und Betten war der Verein Pegasus verantwortlich. Er betreut den Großteil der Flüchtlinge in Mansfeld-Südharz, die von der Zentralen Anlaufstelle in Halberstadt dem Landkreis zugewiesen werden. Die Unterkunft, die am Mittwoch bezogen wurde, ist die erste große in Hettstedt, in der sich der Verein Pegasus für die Organisation und Betreuung verantwortlich zeigt. Sie hat eine Kapazität für 86 Personen. Der amtierende Geschäftsführer des Vereins, Michael Hauschild, kündigte am Mittwoch an, dass nächste Woche weitere Flüchtlinge in die Unterkunft in die Kupferstadt kommen werden.
Bis zum Jahresende sollen überwiegend in den drei großen Städten Sangerhausen, Eisleben und Hettstedt insgesamt 1 300 Plätze für Flüchtlinge bereitstehen. Die mit der Betreuung beauftragten Träger, der Verein Pegasus und die Arbeitsloseninitiative Sangerhausen sowie die GbR Komplexbetreuung, sind derzeit intensiv bemüht, Unterkünfte zu erschließen und die Betreuung zu verbessern.
Derzeit leben in Landkreis Mansfeld-Südharz knapp 900 Männer, Frauen und Kinder, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ein Recht auf Betreuung und Unterbringung haben.
Und was erwartet der Geschäftsführer von den Hettstedtern? „In erster Linie Toleranz“, sagte Hauschild und betonte, dass es einen sehr guten und engen Kontakt mit der Stadtverwaltung und Bürgermeister Danny Kavalier (CDU) gebe. Zudem habe der Streetworker Christoph Altmann bereits seine Hilfe angeboten.
Hauschild und seine Mitarbeiter waren am Mittwoch noch ein wenig im Stress. Unter anderem wurden Waschmaschinen in den Keller gebracht und der Geschäftsführer selbst kam mehrere Male mit seinem voll gepackten Auto vor die Unterkunft gefahren. Er lud unter anderem Matratzen und Kissen aus. Es sei nicht so einfach, die Sachen zusammen zu bekommen, erklärte er. „Die geforderte Mindestversorgung ist hier aber gegeben“, fügte Hauschild an. Der Verein wird für die Betreuung einen Objektleiter bereitstellen, der Ansprechpartner für die Flüchtlinge vor Ort ist. Und auch für die Sicherheit ist Vorsorge getroffen. Nachts wird es einen Wachdienst geben.
Flucht vor Krieg und Terror
Ihre neue Unterkunft sei besser als die in Halberstadt, meinte Mustafa. Zu sechst hätten sie dort in einem Raum gelebt und geschlafen. Der 23-Jährige kam über Griechenland nach Deutschland - zunächst nach Passau, dann nach Halberstadt. Und er hoffe nun, dass die Menschen in Hettstedt und Umgebung vorurteilslos ihm und seinen Landsleuten gegenüber sein werden. Denn ihre Flucht aus der Heimat hatte Gründe, wie sein Zimmerkollege Amjad betonte: Krieg und Terror. Man könne dort nicht mehr leben, sagte er. Zurücklassen mussten beide ihre Eltern und ihre Geschwister. Des Geldes wegen. Amjad hätte gern seine 16 Jahre alte Schwester mitgenommen, wie er sagt. Doch allein für die rund 3.000 Euro für seine Flucht aus der Heimat sparte er fast zwei Jahre. (mz)

