Hettstedter Ornithologen Hettstedter Ornithologen: Vielfalt der Vogelwelt in der Region nimmt ab

Gorenzen - „Ich möchte nicht durch einen stillen Wald gehen. Ich nicht“, sagt Ralf Scheffler. Der Ornithologe aus Hettstedt liebt den Wald mit buntem Konzert aus möglichst vielen Vogelstimmen. In diesem bunten Orchester erkennt er jeden einzelnen Sänger. Und stellt zu seinem Bedauern fest, dass die Vielfalt der Vogelwelt in der Region abnimmt. „Das betrifft 80 Prozent der Arten“, schätzt Scheffler.
Die Ursachen für die Artenverarmung seien vielfältig. Eine davon hat dichtes Fell, scharfen Gehörsinn und ist erstaunlich intelligent: der Waschbär. Diese einst seltenen „Einwanderer“ haben sich hierzulande schnell vermehrt. Und auf der Speisekarte dieser Allesfresser, die sehr gut klettern können, stehen auch Vogeleier und Brut. Gerade auf die räuberischen Nestplünderer sei der Bestandsrückgang bei solchen majestätischen Raubvögeln zurückzuführen wie der Rote Milan, ist Scheffler überzeugt. Er erzählt die Geschichte, wie Ornithologen Milan-Jungvögel beringen wollten. Als sie zum Horst hochgeklettert sind, fanden sie darin einen Waschbären. Die Jungvögel seien seine Mahlzeit geworden.
Bedeutendste Brutplätze in Europa
„Das ist nicht mehr lustig“, schimpft der Ornithologe. Dabei liegen in Sachsen-Anhalt und Sachsen europaweit mit die bedeutendsten Brutplätze des Roten Milans. Die Waschbären fügen auch anderen Vögeln großen Schaden zu, wie etwa den Graureihern, deren Gelege sie plündern.
Auch die Menschen tragen dazu bei, dass manche Vogelarten rar werden, bedauert der Hettstedter. Zum Beispiel der Sperling oder Schwalben. „Diese Arten sind auf den Menschen angewiesen“, so Scheffler. Doch an Gebäuden werde heute alles dicht gemacht, wo diese Vögel eine Nistgelegenheit finden würden. „Warum mähen unsere Landwirte hartnäckig das Gras an Feldrändern?“, spricht er ein weiteres Problem an. „Stieglitze finden so kein Futter mehr. Kein Wunder, dass auch deren Zahl abnimmt.“
Wanderungen sollen Thema interessant machen
Ralf Scheffler möchte deshalb mit seiner Liebe zur einheimischen Vogelwelt möglichst viele Menschen „anstecken“. Zum Beispiel durch Wanderungen, bei denen er den Teilnehmern erklärt, wessen Stimmen sie links und rechts der Route hören. Wie etwa am vergangenen Samstag bei einer solchen Wanderung, die vom Verein „Natur- und Handwerk“ organisiert wurde. Bei bestem Wetter zog die Truppe von Gorenzen aus durch die Wälder. Während kaum einer Schwierigkeiten hatte, die Gestalt und die Stimme eines Sperlings oder einer Meise zu erkennen, war es bei einem Fitislaubsänger schon schwieriger.
Einer der Lieblingsvögel Schefflers ist der Zaunkönig. „Der singt sogar im Winter“, so der Hettstedter. Das Männchen sei fleißig und baue mehrere Nester, damit das Weibchen die Wahl habe. Oder mehrere Weibchen. Denn der Zaunkönig hat ein großes Herz. .
Zu den wenigen Arten, deren Bestand steigt, zählt laut Scheffler der Bienenfresser. Da helfe wohl die Klimaerwärmung: Der Vogel liebt Wärme. Deshalb habe er dieses Jahr noch keinen Bienenfresser gesehen. Sie kehren mit als Letzte aus dem Süden zurück. (mz)
