Hettstedt Hettstedt: André Ulrich betreibt die erste und einzige Wachtelfarm der Stadt

Hettstedt - Im Garten von André Ulrich ist es still. Nur ein paar Vögel zwitschern, der Wind rauscht in den dichten Bäumen, die das Grün umgeben, selbst der große Familienhund liegt dösend auf dem Hof. Die Szene wirkt, als hätte jemand auf Pause gedrückt und einmal kurz die Welt angehalten. Dann schließt Ulrich die Tür zum Wachtelstall auf - und ein ganzes Rudel kleiner Vögel rennt, flattert, und tschiept durcheinander, scharrt sich um die Füße der ungewöhnlichen Besucher und pickt prüfend in Füße und Waden.
André Ulrich hält 70 Tiere in seiner Wachtelfarm in Hettstedt
Ulrich betreibt Hettstedts erste und einzige Wachtelfarm. 70 Tiere hält er auf zwei Ställe verteilt - doppelt so viele wie seit dem Start im vergangenen Jahr. Bei etwa einem Ei pro Huhn und Tag macht das in der Woche ganze 490 Wachteleier. Und trotzdem bleibt für Ulrich und seine Familie derzeit kaum etwas davon übrig. „Im Moment, so kurz vor Ostern, verkaufen wir so viele Eier, dass wir gar keine für den Eigenverbrauch mehr haben“, sagt Ulrich mit einem Lachen. Die Eier verkauft er in der gesamten Gegend um Hettstedt. Zwölf Eier kosten 2,75 Euro. Über die Woche nimmt er Bestellungen von Kunden per E-Mail oder über seine eigene Facebook-Seite entgegen, am Freitag liefert er sie aus. Und diese Lieferung ist für manche Kunden etwas ganz Neues: „Ich habe schon 80-Jährige beliefert, die mir erzählt haben, dass sie noch nie in ihrem Leben Wachteleier gegessen haben“, sagt Ulrich.
Dabei sind die „normalen“ Hühnereiern gar nicht so unähnlich - wenn man davon absieht, dass sie nur etwa ein Viertel so groß sind. „Man kann Wachteleier genau so kochen, hart oder weich, oder aus ihnen Rühr- oder Spiegelei machen“, erzählt Ulrich. Man braucht halt nur etwas mehr: „Für Rührei nehmen wir etwa 20 Eier“, so der zweifache Familienvater. Sogar backen kann man mit ihnen. „Der Teig wird dann besonders locker und bekommt eine schöne goldene Farbe.“
Die Wachtelfarm Hettstedt ist gewissermaßen der Beginn eines großen Traumes des gebürtigen Magdeburgers, der seit 15 Jahren in Hettstedt lebt. Vor drei Jahren kaufte das Paar das Haus mit 1,5 Hektar Land, mit dem Ulrich noch einiges vor hat. „Perspektivisch möchte ich einen Ökohof aufbauen und regionale Lebensmittel erzeugen“, sagt Ulrich. Der Bio-Aspekt ist ihm sehr wichtig, deshalb bekommen seine Wachteln nur gentechnikfreies Futter oder im Sommer direkt Grünfutter aus dem eigenen Garten. „Mein Motto ist: alles möglichst natürlich.“ Zur Wachtelfarm soll später neben Obst- und Gemüseanbau auch ein grünes Klassenzimmer hinzukommen, in dem er Kindergartengruppen und Grundschulklassen zeigen will, welche Pflanzen und Tiere es hierzulande gibt und wie diese leben. „Ich bin ein ganz großer Verfechter von Regionalität. Und dazu gehört für mich auch Transparenz und Ehrlichkeit.“
André Ulrich gibt auf seinem Youtube-Kanal „Wachtelfarm Hettstedt“ Einblicke in die Farm
Diese Transparenz stellt Ulrich auch durch seinen eigenen Kanal „Wachtelfarm Hettstedt“ auf der Videoplattform Youtube sicher. Dort zeigt er in kurzen Filmen die Haltung seiner Tiere, welches Futter sie besonders mögen oder wie er selbst Verstecke und Beschäftigungsmöglichkeiten für sie baut. „Die Idee dahinter war, dass die Kunden sehen können, wo ihre Eier herkommen“, so Ulrich. „Mein Kanal hat derzeit etwa 1 000 Zugriffe pro Tag und ist damit der größte deutsche Youtube-Kanal, der sich mit Wachtelhaltung beschäftigt“, sagt der Hettstedter stolz.
Dabei ist das, was Ulrich dort zeigt, nicht nur Wissen, sondern auch jede Menge Ausprobieren. Denn hauptberuflich ist er selbstständig als Versicherungskaufmann tätig und hat eine Agentur in Mansfeld, betreibt die Farm neben dem Job. Die Wachtelhaltung hat sich der Hettstedter selbst beigebracht, hat viel gelesen und eben auch getestet. „Vor einer Weile habe ich Verstecke aus Blautannenzweigen gebaut, die wachsen hier bei uns sehr häufig. Und seitdem legen die Hennen sogar noch besser.“
Als Ulrich wieder in seinem Garten steht und die Tür zum Wachtelstall hinter ihm ins Schloss fällt, wird es wieder still. Zufrieden blickt der Hobby-Landwirt ins Grüne. „Demnächst werde ich probieren, Wachteleierlikör zu machen“, sagt er schmunzelnd. „Ich glaube, sowas hat wirklich noch niemand getrunken.“ (mz)
