Bürgermeister muss eine Berufung sein Gerbstedt Bürgermeister Siegfried Schwarz (CDU) im Interview

Gerbstedt - Mehr als 25 Jahre lang war Siegfried Schwarz (CDU) zunächst ehrenamtlich, später hauptamtlich Bürgermeister in Gerbstedt. Aufgrund gesundheitlicher Probleme wurde er nun für nicht mehr dienstfähig erklärt. Im kommenden Jahr wird in Gerbstedt ein neuer Bürgermeister gewählt, zum 1. November legt Schwarz sein Amt nieder. Das Gespräch führte Sophie Elstner.
Was hat Sie dazu bewogen, Ihren Posten als Bürgermeister freizumachen?
Siegfried Schwarz: Ich bin gesundheitlich angeschlagen und kann meinen Job nicht mehr machen. Ich habe lange gebraucht, um das zu realisieren. Eine Gemeinde profitiert aber nicht davon, wenn der Bürgermeister ausfällt.
Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an die Anfänge in den 1990er Jahren zurückdenken?
Siegfried Schwarz: Die ehrenamtlichen Bürgermeister hatten damals einen anderen Stellenwert als heute. Wir waren für die Haushalte verantwortlich, ebenso für die Bauhöfe. Und das alles neben dem eigentlichen Beruf. Als ich 1994 Bürgermeister in Gerbstedt wurde, war ich Produktionschef in der Großbäckerei in Hettstedt.
Was war Ihre erste große Aufgabe?
Siegfried Schwarz: Anfang 1995 ist das Gerbstedter Rathaus fast eingestürzt. Kaputte Kanäle aus DDR-Zeiten hatten den lehmigen Untergrund ausgehöhlt. Erst brach die Straße ein, dann senkte sich das Rathaus. Dank Fördermitteln und guten Fachleuten konnten wir das Rathaus erhalten. Später waren auch andere Häuser in der Kernstadt betroffen. Überall taten sich Löcher auf. Es waren dramatische Zeiten.
Was bedeutete die Gebietsreform 2010 für Gerbstedt?
Siegfried Schwarz: Mit der Bildung der Einheitsgemeinden kam die Katastrophe. Ich kam aus der Wirtschaft und habe die Gebietsreform aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen. Heute würde ich mich immer gegen das Konzept Einheitsgemeinde entscheiden.
Warum?
Siegfried Schwarz: Es gab Gemeinden, die vor der Bildung der Einheitsgemeinde nicht verschuldet waren, zum Beispiel Welfesholz und Hübitz. Siersleben hingegen brachte unglaublich viele Schulden mit und war der Sargnagel für die Einheitsgemeinde. Die Schulden abzubauen ist schlichtweg unmöglich.
Waren Schulschließungen auch damals schon ein Thema?
Siegfried Schwarz: Ich habe schon immer gesagt, dass uns irgendwann das Thema Schulen einholen wird. Eine kleine Einheitsgemeinde wie Gerbstedt mit damals 8.000 Einwohnern wird sich auf Dauer nicht drei Grundschulen leisten können.
Wie bewerten Sie die Entwicklung bei den Grundschulen?
Siegfried Schwarz: Die knappen Schülerzahlen in Siersleben waren schon in den vergangenen Jahren bekannt. Irgendwann ist aber ein Punkt erreicht, an dem man die Schule nicht mehr halten kann. Die Entscheidung, die jetzt getroffen wurde, ist richtig. In Hinblick auf die Kommunale Selbstverwaltung können sich auch der Kreis, andere Bürgermeister oder Landespolitiker nicht einschalten, weil das Thema Grundschulen schlichtweg nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt.
Auf welche Erfolge sind Sie besonders stolz?
Siegfried Schwarz: Auf die Stadt- und Rathaussanierung und auch auf das kulturelle Leben. Mit Horst Heppner aus Gerbstedt entstand die Idee des Adventssingens. Nach einem holprigen Start kamen in den Folgejahren immer mehr Menschen an den Adventssonntagen auf den Markt. Die Feuerwehr Siersleben hat ein neues Gerätehaus bekommen, doch in anderen Feuerwehren gibt es noch großen Nachholbedarf, was die Technik betrifft.
In jeder Ortschaft haben wir investiert, zum Beispiel in die Sanierung des Taubenturms in Welfesholz. Die Sanierungen in Friedeburg laufen noch. Dort werden am Ende vier Millionen Euro Fördermittel investiert sein nach dem Hochwasser 2013.
Was erwarten Sie vom neuen Gerbstedter Bürgermeister?
Siegfried Schwarz: Menschen, die den Job nur wegen des Geldes machen wollen, sind hier an der falschen Stelle. Bürgermeister muss eine Berufung sein. Ich selbst war immer mit Herzblut dabei. Es muss ein Generationswechsel kommen, den ich gerne unterstütze. Ich würde mich freuen, wenn eine Frau neue Bürgermeisterin wird. Mit Frauen in diesen Positionen habe ich gute Erfahrungen gemacht.
Welche Herausforderungen gibt es für den neuen Bürgermeister?
Siegfried Schwarz: Ich habe große Sorge um die Kommunen in Sachsen-Anhalt. Es gibt noch lukrative Fördermöglichkeiten, doch Kommunen sind kaum noch in der Lage, die Kofinanzierung zu stemmen. Fast alle Kommunen sind in der Konsolidierung. Wir können nur noch mit großer Mühe das Wichtigste machen, um die Infrastruktur halbwegs zu erhalten. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen.
Möchten Sie weiter in der CDU bleiben?
Siegfried Schwarz: Ja, ich werde weiter Mitglied der Partei bleiben. Obwohl ich strikt dagegen war, dass der ehemalige AfD-Politiker Jens Diederichs in die CDU-Landtagsfraktion aufgenommen wurde. Auf meinen Antrag hin hatte der Kreisparteitag 2018 beschlossen zu fordern, ihn aus der CDU-Fraktion im Landtag zu entfernen, aber wir fanden kein Gehör. Das Land hat aktuell die schlechteste CDU-Fraktion, die es jemals gab. Da müssen sich die Politiker nicht wundern, wenn Mitglieder reihenweise austreten oder zur AfD wechseln, weil sie den Eindruck haben, nicht mehr wahrgenommen zu werden. (mz)