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"Eine Beleidigung der Bürger" "Eine Beleidigung der Bürger": Zeitungsartikel über Mansfeld sorgt für Empörung

Von Fabian Wagener 04.11.2016, 07:00
Stadt Mansfeld im Landkreis Mansfeld-Südharz
Stadt Mansfeld im Landkreis Mansfeld-Südharz Lukaschek

Mansfeld - Tilman Krause hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Der leitende Kultur-Redakteur der Tageszeitung „Die Welt“ hat einen Abstecher nach Mansfeld unternommen und über seinen Kurzbesuch einen Artikel geschrieben. Und darin zeichnet er ein düsteres Bild von der Lutherstadt: „öde Wüstenei“, „gottverlassener Ort“, „gespenstisch leer“ – das sind nur einige der Formulierungen, die der gebürtige Kieler wählt, um den Ort mit seinen rund 9.000 Einwohnern zu beschreiben.

„Jawohl, man kann sich in Deutschland mitunter wie auf dem Mars vorkommen“, schreibt Krause gleich zu Beginn seines Textes, der im Zuge einer Recherche-Reise in die Lutherstädte Mansfeld, Eisleben und Wittenberg entstand. In diesem Tenor geht es weiter: In Mansfeld habe er das erste Mal ermessen können, was es bedeute, wenn eine Stadt ausgestorben sei. „Hier scheint es tatsächlich kaum noch Leben zu geben“, meint Krause. „Aus tausend toten Augen schauen einen geschlossene Geschäfte, unbewohnte Häuser, leere Auslagen an.“

Wie Tilman Krause über die Mansfelder denkt

Und auch die Mansfelder kommen alles andere als gut weg: „Trifft man doch einmal auf Menschen, ist man sich nicht ganz sicher, ob sie noch normal sind. Überlaut, als wollten sie den Horror Vacui verscheuchen, reden sie in merkwürdiger Kindersprache miteinander“, schreibt Krause.

Der Schauder werde nicht geringer, wenn man sich in „das supermoderne Museum“ begebe, das hier vor einigen Jahren errichtet wurde, um an die Kindheit des in Mansfeld aufgewachsenen Reformators Martin Luther zu erinnern. „Ein leiser Klangteppich, der wohl Alltagsgeräusche aus der Zeit um 1500 und auch ein wenig zeitgenössische Musik vergegenwärtigen soll, verstärkt noch den spukhaften Schwebezustand, in dem ich mich hier ohnehin befinde“, so der als Literaturkritiker bekannte Autor.

Er frage sich, ob das Geld, das in das Museum investiert wurde, nicht besser in andere Maßnahmen geflossen wäre, die dem strukturschwachen Gemeinwesen wieder auf die Beine helfen. „Die Lebenden sollten uns doch näherstehen als die Toten.“

Empörung in Mansfeld über Text des Welt-Autors

Die mit durchaus galanten Formulierungen vorgetragene Tirade des Kultur-Journalisten stößt in Mansfeld auf wenig Gegenliebe. Im Gegenteil: Sie sorgt für eine Welle der Empörung. „Das ist ein Katastrophenartikel, eine Frechheit“, schimpft beispielsweise Jürgen Voigt, der Vorsitzende des Mansfelder Heimatvereins. In der Nacht, nachdem er den Text gelesen hatte, habe er nicht schlafen können, so wütend sei er gewesen. „Wie kann man eine Stadt, die Heimat Luthers, so schlecht machen?“, fragt er.

In Mansfeld sei viel Kraft in die Verbesserung der Infrastruktur investiert worden, sagt Voigt, und verweist auf die Restaurierung der Mansfelder Kirche, auf den Lutherbrunnen und die Arbeit des Fördervereins am Mansfelder Schloss. Auch das Museum sei für die Stadt ein wichtiger Ort. Man habe aber eben auch nur begrenzte finanzielle Möglichkeiten und sei auf Förderungen angewiesen.

Gustav Voigt, Bürgermeister der Einheitsgemeinde Mansfeld, sieht das ganz ähnlich. Und findet deutliche Worte: „Der Artikel geht unter die Gürtellinie, er ist eine Beleidigung der Mansfelder Bürger“, sagt er. All jene, die den Artikel gelesen haben und noch nie in Mansfeld waren, sollten doch gerne vorbei kommen, und sich davon überzeugen, wie wenig der Artikel den Tatsachen entspreche.

Keine Begeisterung über Tilmann-Text im Luthermuseum

Auch im Luthermuseum hat der im Internet veröffentlichte Text wenig Begeisterung ausgelöst. „Das ist ein Verriss der Arbeit, die wir hier machen“, sagt Florian Trott, Pressesprecher der Stiftung Luthergedenkstätten, der den Journalisten Krause auf seiner Tour durch Mansfeld begleitete. Die Argumentation des Autors kann er nicht nachvollziehen. Es sei gut, dass sich das Land Sachsen-Anhalt dazu entschieden habe, hier das rund 3,5 Millionen Euro teure Museum zu bauen. „Das erhöht die Strahlkraft der Stadt und zeigt, dass Mansfeld eine Zukunft hat“, sagt Trott.

Viele Mansfelder seien stolz auf das Museum, Besucherzahlen stiegen an: Kamen 2015 noch 5803 Besucher, waren es in diesem Jahr bis Ende Oktober schon 7365. Ein solches Museum verhindere eher das Sterben einer Stadt, nicht umgekehrt, so Trott.

Und was sagt der Journalist Tilman Krause, dessen Mutter zu Kriegszeiten einige Zeit in Eisleben lebte, zu den empörten Reaktionen aus Mansfeld? Auf Nachfrage der MZ zeigt er sich versöhnlich, kann sich eine weitere kleine Spitze jedoch nicht ganz verkneifen. Es sei ihm nicht darum gegangen, die Mansfelder niederzumachen, sagt er. Und fügt hinzu: „Soweit es noch welche gibt.“ (mz)

Der Redakteur geht hart mit Mansfeld ins Gericht.
Der Redakteur geht hart mit Mansfeld ins Gericht.
Screenshot/welt.de