Bomben auf Hettstedt Bomben auf Hettstedt: Wie eine Zeitzeugin den Angriff am 11. April 1945 erlebte

Hettstedt - Gegen 11 Uhr am 11. April 1945 heulen die Sirenen in Hettstedt: Fliegeralarm. Menschen bringen sich in Sicherheit. Wenig später schlagen Bomben auf dem Marktplatz ein: 51 Menschen kommen bei dem Angriff ums Leben, 109 Wohnungen werden zerstört und 360 Gebäude beschädigt. Die heute 93-jährige Friedel Hohnbaum-Hornschuch erlebt das Inferno hautnah mit.
Auch heute, 73 Jahre später, kann sie sich noch genau an diesen Tag kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges erinnern: Große Menschentrauben kamen auf dem Marktplatz in Hettstedt zusammen. „Reste der Wehrmacht hatten sich dort versammelt. Keiner wusste mehr wohin, Marschbefehle gab es nicht mehr“, erzählt sie. Kopflos sei die Truppe gewesen, manche hätten um Zivilkleidung gebeten, um ihre Uniformen ablegen zu können.
War das Saigertor Ziel des Bombenangriffs?
Die anrückenden Truppen der Amerikaner waren nicht mehr fern. Ob die sichtbaren deutschen Truppen der Grund für den späteren Bombenangriff auf den Hettstedter Marktplatz gewesen sein könnte? Das könne durchaus sein, sagt Hohnbaum-Hornschuch. Auch das Saigertor, durch das die Fernverkehrsstraße von Aschersleben nach Eisleben führte, könnte das Ziel gewesen sein.
Damals war sie mit 19 Jahren als Luftlagemelderin eingesetzt. Als Schulabgängerin sei sie 1943 dazu verpflichtet worden, erinnert sie sich. Nachdem die Hettstedterin wieder einmal eine Nacht die Bomberverbände beobachtet hatte, sei sie an diesem 11. April erst spät aufgestanden.
„Das Dröhnen der Flugzeuge war Normalität im Alltag. Einen Angriff hatte auch niemand erwartet.“ Als wie gewohnt die Sirene heulte, sei die Familie in den mit Holzstützen verstärkten Keller geeilt. Hettstedt hatte keinen speziellen Luftschutzbunker.
Bombenangriff auf Hettstedt: Das Haus zitterte, eine Explosion folgte
Die Mutter rief noch nach Friedel Hohnbaum-Hornschuch, sie solle endlich herunterkommen. „Ich blieb oben. Ich hatte Hunger und wollte essen.“ Im selben Moment klinkten drei Bomber eines amerikanischen Geschwaders ihre tödliche Fracht aus: „Plötzlich zitterte das Haus und es gab eine laute Explosion.“ Die junge Frau eilte aus dem Haus: „Auf dem Markt war eine riesige Staubwolke.
Als wir dort ankamen, hörten wir Hilferufe. Die Soldaten waren verschwunden“, sagt sie. Im Zentrum von Hettstedt bot sich ein Bild der Zerstörung. „In unserem Haus in der Wilhelmstraße schlugen Pflasterseine vom Markt ins Dach ein. Die Fensterkreuze waren zerstört und unsere Gardinen flogen bis auf die Kirche nebenan.“ Besonders sei ihr die plötzliche Stille nach den Aufräumarbeiten in Erinnerung geblieben. „Die Stadt stand nach dem Angriff unter Schock.“
Nach dem Bombenangriff rollen Panzer in die Stadt
Was erwartete die Bürger in Hettstedt nun? Die anrückende Armee unter Führung der USA war auf Tuchfühlung vorgerückt. Die Menschen hätten Angst vor Kampfhandlungen gehabt, sagt Hohnbaum-Hornschuch „Am 13. April rückten Panzer von der Bahnhofstraße in die Stadt vor. Doch statt des Balkenkreuzes trugen sie einen weißen Stern als Hoheitszeichen auf der Tarnfarbe: Es waren die Amerikaner.“
Friedel Hohnbaum-Hornschuch beobachtete, wie Frauen Osterglocken aus den Blumenbeeten vor der Jakobikirche rissen und auf die Panzer warfen. „Die Amerikaner öffneten zögernd ihre Luken an ihren Fahrzeugen und streckten den Frauen schließlich die Hände entgegen.“ Der Frieden kehrte zurück nach Hettstedt, und wenige Wochen später kapitulierte Deutschland. (mz.)