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Zachow Stadtteilserie 1 Zachow Stadtteilserie 1: Das Paulusviertel

Von Jessica Quick 29.08.2012, 07:51
Blick in die Carl-von-Ossietzky-Straße an der Ecke zur Schleiermacherstraße im Paulusviertel.
Blick in die Carl-von-Ossietzky-Straße an der Ecke zur Schleiermacherstraße im Paulusviertel. Julia Steiner Lizenz

Halle (Saale)/MZ. - “Ich lebe gern hier!, erklärt Karla Fischer. Man grüße sich untereinander, dazu gebe es viel grün. Besonders die sternförmige Anordnung der Straßen gefalle ihr, sagt Karla Fischer, die seit 2007 Kinderärztin im Paulusviertel ist. Und auch Heidrun Kaufmann vom gleichnamigen Kuchenladen ist von diesem Stadtteil in Halle überzeugt: “Ich liebe das Ambiente und die freundlichen Leute hier”, erzählt die Hallenserin, deren frisch gebackene Kuchen im Paulusviertel mittlerweile legendär sind. Wie der “Kaufmann’s Laden” (Ludwig-Wucherer-Straße 55) profitieren noch viele weitere kleine, künstlerische und innovative Geschäfte (genannt sei auch das Dreierlei in der Goethestraße 1) von den vielen junge Menschen, die mit ihren Kindern hier wohnen. Das war nicht immer so.

Entstehung des Paulusviertels

1870 noch bestand das Gelände rund um den Hasenberg überwiegend aus Weide- und Ackerland. Aufgrund zweier Quellbäche war es hier recht sumpfig (was die häufig feuchten Keller von heute erklärt). Lediglich zwei Straßen führten durch diese Gegend: Die Feld- und die Ackerstraße (heute Humboldtstraße). Obwohl das Land für eine Bebauung ungeeignet war, machte das rapide Bevölkerungswachstum in Halle eine Erschließung des Nordostens notwendig. Einen ersten Bebauungsplan gab es 1878. In ihm wurde der Hasenberg wegen seiner natürlichen Höhe als Zentrum festgelegt. Von ihm aus sollten zwei Ring- und acht Radialstraßen verlaufen - eine Anordnung, die das Viertel heute so speziell macht. Markant ist auch die Pauluskirche, deren erster Spatenstich am 25. Juli 1900 erfolgte.

Ein Viertel der Menschen, die um die Zeit um den damaligen Kaiserplatz (heute Rathenauplatz) wohnten, gehörten zu den unteren Schichten. Das lag an der sogenannten Segregation: Während die besser gestellten Familien im Vorderhaus lebten, waren im hinteren Bereich, ganz oben oder Souterrain, die Arbeiter und Witwen beherbergt. Dazu gab es an den Randlagen des Viertels ganze Straßenzüge, die nur von Arbeitern bewohnt waren.

Der drohende Verfall

Zu DDR-Zeiten hingegen war das Paulusviertel wegen seiner großen Wohnungen mit den hohen Wänden vor allem bei Akademikern, Ärzten und Freunden der Partei beliebt. Wer hier wohnen wollte, brauchte Beziehungen und die richtige Einstellung, denn ab 1949 sind die einst prächtigen Bauten zunehmend zerfallen. Mit einer Miete von 109 Mark für 150 Quadratmeter (1981 - heute das zehnfache) war eine Renovierung nicht finanzierbar. Die Mieter mussten sich wenn möglich selbst helfen und “besorgten” Gasheizung und Co. Viele sagen: Wäre die Wende nicht gekommen, wäre in spätestens zehn Jahren die Bausubstanz endgültig am Ende.

Im Herbst 1989 gründeten engagierte Bewohner des Viertels um Hanna Haupt, die zu der Zeit aus Thüringen zugezogen war, die “Bürgerinitiative Paulusviertel”(BI), die sich die Verschönerung und Mitentwicklung des Stadtteils als Ziel setzte. “Wir waren damals noch naiv. Zum Beispiel erstellten wir eine Listen von leerstehenden Wohnungen, dabei ging der größte Teil der Häuser sowieso zurück an die Privateigentümer”, erinnert sich Hanna Haupt. “Zu unseren ersten Forderungen gehörte Tempo 30 und die Regelung rechts vor links - beides wurde erst vor etwa zehn Jahren realisiert.” Die heute 63-Jährige ist stolz auf die zahlreichen Aktionen, die sie zusammen mit der Bürgerinitiative, die die älteste in Halle sei, in die Wege geleitet hat. Zu den bekanntesten zählt das traditionelle Paulusfest im Mai, zu den jüngsten der “Familiengarten” auf der Grünfläche am Jugendamt (Schopenhauerstraße). Im Übrigen sind engagierte Bürger im Paulusviertel Tradition. Bereits 1903 gab es den “Verschönerungsverein”, der sich aktiv mit der Gestaltung des entstehenden Viertels auseinandersetzte.

Das Paulusviertel hat aber auch Probleme: Anwohner bemängeln die Parksituation, die schlechten Straßen (meist Kopfsteinpflaster) und die vielen von Baumwurzeln zerbrochenen Gehwege. Dagegen halten können die prachtvollen Häuser im Jugend- und Gründerstil, die nicht nur Besucher zum Staunen bringen. Breite, verkehrsberuhigte Straßen, wunderschöne Vorgärten und der Hasenberg, auf dem man nicht nur im Sommer wunderbar entspannen kann. All das macht den Stadtteil zu einem der schönsten in Halle.

Die Pauluskirche als Zentrum des Viertels.
Die Pauluskirche als Zentrum des Viertels.
Julia Steiner Lizenz