Wunsch im Turm erfüllte sich
Halle/MZ. - In der Turmkapsel der Johanneskirche wurden bei Bauarbeiten kürzlich Dokumente gefunden, die aus dem Jahr 1953 stammen (die MZ berichtete). Dazu gehörte auch ein Brief des Kunst- und Bauschlossers Franz Rudolph, der damals das Turmkreuz angefertigt hatte. Acht Jahre nach Kriegsende schrieb er unter anderem: "Wenn das Kreuz wieder einmal abgenommen werden muss, dann möge unser deutsches Vaterland nicht wie jetzt in zwei Teile gespalten, sondern ein ganzes Deutschland sein."
In der Gemeinde konnte sich niemand mehr an Meister Rudolph erinnern, keiner wusste, wie alt er damals war, so dass unklar blieb, ob er noch erlebt hat, dass sein Wunsch mit der Wende in Erfüllung ging. Seine Enkelin Beate Feigl aus Halle kann diese Frage beantworten: "Mein Großvater ist 1962 in Halle gestorben." Da sei er 83 Jahre alt gewesen. Mit 74 hatte er demnach das Kreuz angefertigt und in luftiger Höhe aufgesetzt.
Seine Werkstatt, so erzählt sie weiter, befand sich im unteren Graseweg / Ecke Hallorenring und reichte bis zur Salzstraße. Frau Feigl erinnert sich daran noch gut; wohnte sie doch mit ihrer Mutter dort, die im Büro der Werkstatt arbeitete. Ihr Opa sei damals der wohl bekannteste Kunst- und Bauschlosser der Stadt gewesen. Am Turm der Marktkirche finden sich seine Spuren ebenso wie im Zoo, in der Moritzburg und am Schwert der Roland-Figur. Und im "DürerHaus" an Kleinschmieden am Markt, einem Kunstgewerbegeschäft, habe man seine Produkte kaufen können: Kamin-Feuerhaken, Lampen oder Kacheltische.
"Bis ins hohe Alter hat er gearbeitet", so Beate Feigl, zuletzt allerdings sei seine Werkstatt in eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) umgewandelt worden, die er leitete. Als er gestorben war, habe man das baufällige Haus abgerissen. Wie er mal aussah, kann sie nicht zeigen; ein Foto von ihm hat sie leider nicht mehr. Dafür weiß sie noch genau, dass er recht sportlich war und gern ins Stadtbad schwimmen ging. "Und dass er immer von der Straßenbahn sprang, bevor sie hielt, und dafür Strafzettel bekam."
Wie angesehen ihr Großvater in Halle war, lasse sich auch daran ablesen, dass zu runden Geburtstagen sogar die Halloren kamen. Anfreunden konnte er sich mit dem neuen Staat DDR nie, weshalb er wohl auch diesen Satz zu Papier brachte, in die Turmkugel legte und sie zuschweißte. 54 Jahre später wurde das Dokument gut erhalten gefunden. Das sei eine schöne Erinnerung an ihren Großvater.