World Games World Games: Jessica Luster aus Halle vertritt Deutschland in Breslau

Halle (Saale) - Sie ist ein Opfer ihrer Neugier. Die Tage vor ihrer Abreise zu den World Games stand für Jessica Luster ein Kinobesuch auf der Unbedingt-erledigen-Liste. Der Film? „Baywatch“.
„Mich interessiert, was für ein Bild die Amerikaner von uns haben“, sagt die 27-Jährige. Unvoreingenommen wollte sie bei dem Hollywood-Klamauk herangehen. So wie sie sich in allen Lebenslagen gibt: offen für alles.
Schließlich ist die Frau, die sozusagen vom Fach ist, auch in ihrer neuen Wahlheimat Norwegen so aufgenommen worden. Die Hallenserin betreibt den Rettungssport ebenso leidenschaftlich wie ernsthaft, gehört seit Jahren zu den Besten weltweit. Gerade aber ist sie in einem Land „gestrandet“, in dem das schnelle Schwimmen mit Flossen, Gurten oder Puppen so gut wie unbekannt ist. Jessica Luster lebt und arbeitet seit April in Oslo.
Rettungssport ist im hohen Norden ungefähr so populär wie Eisstockschießen in ihrer Heimat. Die Norweger sind eine Wintersportnation mit Skispringen und Langlauf ganz oben auf der Beliebtheitsskala.
Dennoch hat die Sommersportlerin einen Weg gefunden, weiterzutrainieren. Ob sie ihre besonderen Fertigkeiten konservieren konnte, zeigt sich nun: Ab Freitag wird es in Breslau (Wroclaw) ernst, dann startet die Rettungsschwimmerin der DLRG Halle-Saalekreis für Schwarz-Rot-Gold.
„Ich habe vorher selbst nicht gewusst, ob es überhaupt für die Qualifikation reicht“, sagt Jessica Luster. Zweimal hatte sie vergeblich versucht, sich für die Olympischen Spiele der nichtolympischen Sportarten zu qualifizieren. 2009 und 2013 war sie nur haarscharf an ihrer Nominierung vorbeigeschrammt. „Es ist wohl meine Erfahrung, die mir diesmal geholfen hat“, sagt sie. Gerade in den Staffeln kann diese Gold wert sein.
Hilfe aus der Heimat
Durch ihren Job und der Liebe wegen hat die bekennende Sonnenanbeterin nach dem Tourismusstudium ihren Lebensmittelpunkt weit weg von einem Strand nach Oslo verlegt. Dort wohnt Jessica Luster mit ihrem Kevin - einem norwegischen Sportwissenschaftler und Handballer mit belgischen Wurzeln - mitten in der Stadt, arbeitet bei einem Onlinereiseveranstalter. Will sie trainieren, geht das nur in einem öffentlichen Bad. Gegenüber ihrer Praktikumszeit in Lillehammer ist das dennoch ein Quantensprung. „Dort habe ich mir mit Rentnern das Becken teilen müssen und durfte meine Wettkampf-Utensilien nicht benutzen“, erzählt Jessica Luster. „Jetzt gibt’s zumindest eine abgeteilte Bahn.“ Einmal wöchentlich trainiert sie bei einem Verein.
Ohne die Hilfe aus Deutschland wäre das Training dennoch nicht möglich. Der Verband bezahlt ihr die Dauerkarte fürs Bad und und schießt Geld zu für die Flüge in die Vorbereitungs-Camps oder Wettkampforte. Und ihr Heimtrainer in Halle, Daniel Gätzschmann, schreibt der 27-Jährigen die Trainingspläne. Die Frage ist, wie lange Jessica Luster unter den abenteuerlich anmutenden Bedingungen das Spitzenniveau wird halten können. Ein Versuch ist es auf alle Fälle wert: Die WM 2018 im australischen Adelaide hat für Jessica Luster einen besonderen Reiz. Im Mutterland des Rettungssports hatte sie vor dem Studium einige Jahre ihren Sport förmlich gelebt. Vielleicht schließt sich ja für sie dort der Kreis.
Baywatch-Film: „Amüsant“
Egal wann, wenn mit dem Leistungssport irgendwann einmal Schluss sein sollte, wird die Liebe zum Rettungsschwimmen, das weiß Jessica Luster, auch in kalten Norwegen nicht abkühlen. Unabhängig davon, dass sie dann wohl - landestypisch - ihre Künste auf dem Snowboard oder den Langlaufbrettern perfektionieren wird.
Den Film übrigens samt Baywatch-Outfits fand Jessica Luster amüsant. Und doch auch stellenweise ernsthaft gut: „Es wurde ja auch gezeigt, dass man als Rettungsschwimmer einer Familie beitritt, in der alle das gleiche Ziel verfolgen: dass der Strand oder das Becken sicher ist“. Nun will sie zeigen, sie hat’s auch drauf.
Sport1 überträgt die World Games im TV
187 Athleten vertreten bei den dreitägigen World Games im polnischen Breslau die deutschen Farben, darunter drei Sportler aus Halle. Neben Jessica Luster sind das Joshua Perling und Annalena Geyer - allesamt Rettungsschwimmer der DLRG Halle-Saalekreis.
Die World Games finden alle vier Jahr statt - immer ein Jahr nach Olympia. Sie sind die Weltspiele der nichtolympischen Sportarten - 31 an der Zahl. Insgesamt sind 3 500 Athleten aus aller Welt dabei.
Bei den letzten World Games 2013 in Cali (Kolumbien) waren die DLRG-Rettungsschwimmer sehr erfolgreich. Sie gewannen neun der insgesamt 30 Medaillen für Deutschland und stellten mit Marcel Hassemeier den Top-Athleten, der viermal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze gewann.
Sport 1 überträgt am Freitag von 9 bis 21:30 Uhr und am Samstag von 9 bis 11:30 Uhr.
(mz)