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Die Schwalbe der Zukunft Wie Hallenser die Simson fit für die Verkehrswende machen

Studierende aus Halle unterstützen Berliner Studenten bei dem Projekt „Second Ride“. Simson-Kleinkrafträder werden fit für die Verkehrswende gemacht.

30.04.2021, 16:29
Carlo Schmid (rechts) gründete die Projektwerkstatt  an der TU Berlin, links Tutor Hector Alvares. Sie haben die ?Simme? modernisiert.
Carlo Schmid (rechts) gründete die Projektwerkstatt an der TU Berlin, links Tutor Hector Alvares. Sie haben die ?Simme? modernisiert. Foto: Second Ride

Halle (Saale)/Berlin - Zum letzten Mal ertönt im Livestream des virtuellen Foresight-Festivals das typische Knattern als Beweis dafür, dass in dem Moped ein Verbrennungsmotor verbaut ist. Doch wortwörtlich hat dessen letzte Stunde geschlagen. Denn Paul Haacke und Carlo Schmid von der Technischen Universität (TU) Berlin wetten, dass sie es mit ihrem entwickelten Umbausatz schaffen, eine Schwalbe mit Zweitaktmotor innerhalb von 60 Minuten auf Elektroantrieb umzurüsten. Auch Studenten aus Halle haben an dem spannenden Projekt mitgearbeitet.

Ist es möglich, dass ein Kult-Moped mit Elektromotor fährt und dadurch zur Energiewende beiträgt? Damit dieser Gedanke Realität wird, gründete Carlo Schmid eine Projektwerkstatt an der TU Berlin, in der er mit einem weiteren Tutor und 15 Studierenden pro Semester am Projekt „Second Ride“ (dt.: Zweite Fahrt) arbeitet. Dessen Ziel ist es, die Umstellung des Verkehrs auf nachhaltige Alternativen voranzutreiben. In Deutschland gibt es aktuell rund 46 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die - so das Ziel der Verkehrswende - bis 2050 von den Straßen verschwinden sollen.

Verschrotten oder umbauen

Dabei bleiben zwei Möglichkeiten: Verschrotten oder umbauen. Durch letztere Variante könnten Kosten minimiert und fast die Hälfte der Emissionen gegenüber der Neuproduktion von Elektrofahrzeugen eingespart werden. Mit dem Umbausatz könne jeder die Energiewende vorantreiben, meint Paul Haacke: „Man muss nicht auf die Politik warten, sondern kann selbst starten. Das ist unsere Vision.“

Lukas Woetzel aus Halle hat mit zwei Kommilitoninnen die Webseite des Projekts  erstellt.
Lukas Woetzel aus Halle hat mit zwei Kommilitoninnen die Webseite des Projekts erstellt.
Foto: Bachmann

An dieser „grünen“ Vision arbeiteten auch drei pfiffige Studierende der Martin-Luther-Universität (MLU) Halle mit. Das Foresight-Festival diente dabei als Verknüpfung zwischen den Studierenden der Haupt- und der Händelstadt. Denn zu dieser Veranstaltung, die bekannt für ihren Blick auf wichtige Themen der Zukunft ist, sollten die Hallenser Studierenden etwas beitragen.

„Zu Beginn des Semesters hat Carlo die Projektwerkstatt vorgestellt“

„Zu Beginn des Semesters hat Carlo die Projektwerkstatt vorgestellt. Die Idee fand ich interessant, deswegen habe ich ihn angeschrieben“, erzählt Lukas Woetzel, der an der MLU Medienwissenschaft studiert. Letztendlich hat der 24-Jährige, der nebenberuflich als Webdesigner arbeitet, mit seinen Kommilitoninnen Alina Haynert und Michelle Brückner eine Webseite für das Projekt gestaltet - „Bevor ich mir etwas ausdenke, warum helfe ich nicht einfach anderen?“ Aus diesem Grund entschieden sie sich, den für ein anderes Seminar geforderten Geschäftsplan ebenfalls für „Second Ride“ zu erstellen.

Von seinem Schreibtisch aus hat Lukas Woetzel schließlich die Festival-Übertragung gespannt mitverfolgt. Bereits nach einer halben Stunde hatten Paul Haacke und Carlo Schmid die Simson fertig umgebaut. Um zu zeigen, dass das Moped mit Elektroantrieb fährt, startete Haacke auf der Schwalbe eine Testfahrt durch den Vorgarten.

„Der Antritt ist deutlich schneller, die Beschleunigung ist stark“

„Der Antritt ist deutlich schneller, die Beschleunigung ist stark und es ist sehr leise gegenüber dem Knattern von vorhin“, resümiert der 24-Jährige zufrieden. Vor dem Bildschirm freut sich Woetzel über den Erfolg seiner Berliner Mitstreiter: „Zwar hat man das Projekt mit betreut, aber zu sehen, dass es dann auch klappt, ist schon cool.“

Mit Moped in der Bahn? Die Unzuverlässigkeit der Simson ist laut Paul Haacke ihr einziger Nachteil.
Mit Moped in der Bahn? Die Unzuverlässigkeit der Simson ist laut Paul Haacke ihr einziger Nachteil.
Foto: Second Ride

Doch warum ausgerechnet die Simson? „Simsons sind die am häufigsten produzierten Kleinkrafträder in Deutschland. Die Mopeds haben ein super Design, gut durchdachte Technik und sind langlebig“, meint Haacke. Eine Schwäche gibt es aber doch: die Unzuverlässigkeit.

„Ein Moped, das fährt und nicht nur gut aussieht“

Diese war für Lukas Woetzel vor einiger Zeit der Hauptgrund dafür, von der ehrwürdigen Simson zum Motorrad zu wechseln. „Wenn man zur Arbeit kommen will, braucht man aber ein Moped, das fährt und nicht nur gut aussieht“, meint auch Haacke. Er fügt hinzu: „Der Elektromotor löst dieses Problem.“

Vorerst wird „Second Ride“ als Uniprojekt weiterlaufen, dem die Hallenser Studierenden treu bleiben wollen. Ob daraus im Anschluss ein Unternehmen entsteht und die beliebten Simsons „zurück in die Zukunft“ transportiert werden können, bleibt abzuwarten. Vorstellen können die Studierenden es sich - mit Businessplan und Webseite wären sie gut vorbereitet. (mz/Julia Bachmann)

Weitere Infos zur Projektwerkstatt unter https://second-ride.de