1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Wasserturm/Thaerviertel: Wasserturm/Thaerviertel: Eine Einheit, die keine ist

Wasserturm/Thaerviertel Wasserturm/Thaerviertel: Eine Einheit, die keine ist

Von Peter Godazgar 27.08.2003, 19:24

Halle/MZ. - Wo Grenzen gezogen werden müssen - um etwa eine Stadt in vernünftig große Einheiten zu teilen - da gibt es bisweilen kuriose Ergebnisse. Zum Beispiel das Stadtviertel 205: Am Wasserturm / Thaerviertel.

Wie, bitte schön, soll man das alles unter einen Hut bringen: den Nordfriedhof, den großen Backsteinbau auf dem Hermes-Gelände, in dem die Kreativen der Hochschule für Kunst und Design wirken, das Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in der Julius-Kühn-Straße, den wuchtigen Neubau der Landesversicherungsanstalt an der Paracelsusstraße und, in unmittelbarer Nachbarschaft, die geduckten Häuschen in der Straße mit dem einzig dazu passenden Namen: "Im Winkel". Ach ja, und das zart duftende Gelände der Stadtwirtschaft in der Äußeren Hordorfer Straße gibt es ja auch noch.

Eingeschlossen wird das merkwürdige Ensemble von Paracelusstraße, Berliner Chaussee und Berliner Straße. Und zerschnitten wird das Ganze von den Gleisen der S-Bahn-Strecke in Richtung Trotha.

Am bemerkenswertesten ist wohl, was in den vergangenen Jahren nördlich der Berliner Straße entstanden ist: Dort präsentiert sich die alte Gartenstadt inzwischen fast komplett in neuem Glanz - das Thaerviertel. Weit mehr als zehn Millionen Euro hat der Bauverein für Kleinwohnungen investiert in das zwischen 1913 und 1919 entstandene und von Hermann Frede entworfene Viertel.

Der Bauverein strebt nun ein Mietkauf-Modell an. Die Zahl der Interessenten sei relativ hoch, sagt Geschäftsführer Wolfgang Schulze, sie liege bei rund 40 Prozent. "Die Sache ist insgesamt rund." Zum Teil leben die Menschen hier in der dritten Generation; "die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 23 Jahren", so Schulze. Allein - die notdürftig ausgebesserten Straßen trüben das Bild. "Ein leidiges Thema", findet auch Schulze - die Straßen gehören der Stadt, und die Stadt hat kein Geld; eine Sanierung ist also nicht in Sicht.

Ins Thaerviertel führt die Julius-Kühn-Straße. Sie wurde benannt nach dem Mann, der 1862 zum ersten ordentlichen Landwirtschaftsprofessor berufen wurde (und der übrigens auf dem Nordfriedhof seine letzte Ruhestätte gefunden hat): Julius Kühn gründete ein Jahr später das Landwirtschaftliche Institut und führte damit erstmals das Landwirtschaftsstudium an einer deutschen Universität ein. Später kaufte er Flächen an und richtete dort eine Feldversuchsstation ein.

Man findet diese immer noch eher unbekannte Einrichtung, wenn man die Kühn-Straße ein paar Meter weiter spaziert. Dort liegen rechterhand die Versuchsfelder, auf denen vor mehr als 125 Jahren der Dauerversuch "Ewiger Roggen" begann. Inzwischen ist es der zweitälteste Dauerfeldversuch der Welt.

Mitarbeiter aus Agrarbetrieben und Wissenschaftlicher interessieren sich für die Ergebnisse und nehmen regelmäßig an Führungen teil. Nur ein Wunsch ist allerdings bislang ein Lehrpfad für interessierte Hallenser.