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Wärmespeicher im XXL-Format Wärmespeicher im XXL-Format: Das ist Halles höchste Baustelle

Von Oliver Müller-Lorey 29.10.2017, 11:00
Ein paar „Tortenstücke“ fehlen noch, bis das Dach von Halles höchster Baustelle - dem Wärmespeicher - dicht ist.
Ein paar „Tortenstücke“ fehlen noch, bis das Dach von Halles höchster Baustelle - dem Wärmespeicher - dicht ist. Holger John

Halle (Saale) - Wer Halles höchste Baustelle besuchen will, braucht Nerven aus Stahl. Und Vertrauen in den Stahl, den Bauarbeiter in den vergangenen Monaten zu einem riesigen Tank zusammengeschweißt haben. Auf dem Gelände des Gaskraftwerks an der Dieselstraße in Halles Süden entsteht derzeit ein sogenannter Wärmespeicher im XXL-Format.

Allein der zylinderförmige Tank ist 42 Meter hoch, das kuppelartige Dach setzt noch einmal drei Meter oben drauf. Fassungsvermögen: 50.000 Kubikmeter Wasser, was etwa 250.000 Badewannen entspricht.

Wärmespeicher in Halle ist derzeit eine Baustelle

Doch noch ist der Behälter eine Baustelle. Um auf das Dach zu gelangen, könnte man die Treppe nehmen, was vermutlich eine Ewigkeit dauern würde. Oder man nimmt seinen Mut zusammen und den Aufzug, der an der rostroten Außenwand hochfährt. So machen es auch Kraftwerksleiter Hans-Ulrich Thiel und Projektkoordinator Henk Niekoop an diesem regnerischen Herbsttag. Langsam fährt die Plattform in die Höhe. Europachaussee, Bahngleise, Kleingartenanlagen - das alles sieht mit zunehmender Höhe klitzeklein aus.

Es gibt einen Ruck, der Aufzug ist auf der Dach-Ebene angekommen. Die Bauarbeiter sind schon weit gekommen: Etwa ein Viertel des Daches liegt bereits auf dem Behälter-Rand und einer Hilfskonstruktion im exakt bestimmten Mittelpunkt des Tanks. Von oben sieht das Dach aus wie eine Torte, der drei Viertel aller Stücke fehlen, oder wie eine Spinne, die ihre Beine auf den Rand des Zylinders stützt.

Wärmespeicher in Halle: Arbeiter wollen die „fehlenden Tortenstücke“ schließen

In den kommenden Tagen werden die Arbeiter die „fehlenden Tortenstücke“ schließen - mit tonnenschweren Stahlplatten. Doch bis dahin wird an vielen Ecken noch geschweißt, gehämmert und gesägt. Entsprechend laut ist es auf der Baustelle. Im Inneren des großen Speichers hallt jeder Hammerschlag so laut wider wie ein Gewitter.

Nach einer Runde auf der obersten Ebene wirft Kraftwerks-Chef Thiel einen anerkennenden Blick ins Innere des riesigen Tanks. „Ein größerer Speicher mit dieser Bauart und Funktionsweise ist uns weltweit nicht bekannt“, sagt er. Auch Bauexperte Niekoop, der aus Holland stammt und weltweit Tanks für die Kraftwerks- und Ölbranche baut, schätzt den halleschen Wärmespeicher als einen der größten seiner Art ein, den er jemals gebaut hat. „Mich fasziniert die Architektur, er ist auch einfach ästhetisch schön“, sagt der Ingenieur. Sobald drei Viertel des Dachs fertiggestellt seien, trage sich die Konstruktion - ähnlich wie bei einer Bogenbrücke - von alleine. Das sei einfach faszinierend.

Energieversorgung Halle (EVH) wird in dem Behälter warmes Wasser speichern

Doch wozu der Aufwand? Die Energieversorgung Halle (EVH) wird in dem Behälter Wärme, die bei der Stromerzeugung im Gaskraftwerk nebenan anfällt, in Form von warmem Wasser speichern. Über eine Düse fließt das heiße Wasser oben in den Tank hinein. Wird irgendwo in Halle in einer Wohnung mit Fernwärme-Anschluss diese Wärme gebraucht, fließt das heiße Wasser durch ein Rohrnetz zum Verbraucher.

Das kalte Wasser kommt ebenfalls durch das Rohrnetz in den Tank zurück und landet dort im unteren Bereich. Zwischen warmem und kaltem Wasser liegt die Trennschicht, die ein Vermischen der unterschiedlich temperierten Flüssigkeiten verhindert. Es dauert etwa 100 Tage, um den Riesenspeicher zu füllen.

Strom und Wärme wird oft zu unterschiedlichen Zeiten gebraucht

„Hintergrund ist, dass Strom und Wärme oft zu unterschiedlichen Zeiten gebraucht werden“, sagt Thiel. Strom und Wärme könnten durch den Speicher entkoppelt werden, was durch den Ausbau der erneuerbaren Energien noch wichtiger werde. Muss zum Beispiel in einer wind- und sonnenarmen Zeit die Gasturbine für die Stromerzeugung angeworfen werden, fällt Wärme an, die eventuell gerade nicht gebraucht wird. Im Speicher kann diese dann so lange „aufbewahrt werden“, bis sie wieder gebraucht wird. Umgekehrt muss nicht extra die Gasturbine arbeiten, um das Wasser zu erhitzen. Das ist ja schon im Tank.

Zwar betreibt die EVH bereits seit 2006 einen Wärmespeicher auf dem Gelände an der Dieselstraße. „Der neue ist aber etwa siebenmal so groß“, sagt Thiel. In den kommenden Wochen bekommt der auch noch einen farbigen Außenanstrich. Wie genau „Halles Thermoskanne“ aussehen wird, ist aber noch geheim. (mz)

Auf dem Dach schweißen Arbeiter die Platten zusammen ...
Auf dem Dach schweißen Arbeiter die Platten zusammen ...
Holger John
Noch ist der Speicher komplett eingerüstet.
Noch ist der Speicher komplett eingerüstet.
Holger John