Währungsreform vor 25 Jahren in Halle Währungsreform vor 25 Jahren in Halle: "Ich bin von der Commerzbank ich brauche eine Million D-Mark"

Halle (Saale) - Am 30. Juni 1990, einen Tag vor der Währungsunion, schwebte ein Commerzbank-Heißluftballon über Halle. „Bei der Fahrt über eine sowjetische Kaserne haben selbst die Soldaten dort unseren Banken-Ballon fröhlich begrüßt“, erinnert sich Klaus-Peter Müller. Der spätere Vorstandschef von Deutschlands zweitgrößter Bank hat vor 25 Jahren als Leiter der „Zentralen Abteilung zur Vorbereitung des DDR-Geschäfts“ von Halle aus das Netz der später 50 Commerzbank-Pavillons aufgebaut - und einmal sogar die Summe von einer Million D-Mark in einem Trabant transportiert.
Im Grunde waren es aufgehübschte Baucontainer. „Wir haben aber immer von Pavillons gesprochen“, sagt der heutige Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank.
Halle indes war die einzige Filiale, die kein solcher Container war, sondern ein echtes Fertigteilgebäude. Die Eröffnung der ersten Commerzbank-Geschäftsstelle in Ostdeutschland geriet heute vor 25 Jahren zum ganz großen Bahnhof: ARD, ZDF und selbst die BBC berichteten aus Halle. „5.000 Hallenser waren da! Das Gedränge war gewaltig, Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher kam beinahe nicht durch“, so Müller.
Im Osten verschollen
Wilde Zeiten habe er 1990 erlebt, so der Banker. Innerhalb weniger Monate mussten Filialen in allen größeren Städten der DDR aufgebaut und dafür schnell mehr als 1.000 Mitarbeiter gefunden werden. „Und nicht zu vergessen: Es flog noch keine Lufthansa, es gab keine Mail, auch mit Telefon und Fax war es schwierig. Ich war im Osten unterwegs und beinahe ein bisschen verschollen. In Halle sind wir beispielsweise aufs Dach des Interhotels gestiegen, in der Hoffnung, dort oben besseren Empfang zu haben, um mit der Zentrale in Frankfurt zu sprechen.“
In Leipzig beispielsweise, erinnert sich Banker Müller, habe er statt des Pavillons nur einen auf einer Betonplatte installierten mannshohen Geldschrank vorgefunden. „Die Monteure hatten den Tresor einfach aufgestellt. Es hatte sie nicht gestört, dass der Pavillon noch gar nicht geliefert war, weil sich der LKW in den Straßengraben gelegt hatte. Wenigstens war der Tresor ohne Haus leer.“
Am 1. Juli 1990 wurden auch in Halle die ersten D-Mark-Beträge ausgezahlt. Zum letzten Mal standen die Ostdeutschen Schlange - an den Bankschaltern. Sie tauschten ihre 2,5 Gramm leichte DDR-Mark in die mit 5,5 Gramm schwerere D-Mark-Münze um.
Löhne, Renten und Mieten wurden im Verhältnis 1:1 umgetauscht, Kinder unter 14 Jahren konnten bis zu 2.000 DDR-Mark im Verhältnis 1:1 umtauschen, 15- bis 59-Jährige bis zu 4.000 DDR-Mark, wer älter war bis 6.000 DDR-Mark.
Die Einführung der D-Mark war eine Forderung vieler DDR-Bürger. Ihre Folgen für die ostdeutsche Wirtschaft indes waren bekanntlich dramatisch. Die beiden Teile Deutschlands unterschieden sich auch weiterhin. Die Frankfurter Sonntagszeitung hat einige Zahlen zusammengestellt: Durchschnittliches Bruttogehalt 1990 in D-Mark: Ost 21 900 Mark, West 43 100 Mark; Opernkarte 1990 Leipzig 9, in Frankfurt Main 55 Mark; Nettokaltmiete pro Quadratmeter Ende 1990 in Berlin, Altbau, Ost: 2,30 Mark, West: 5,50 Mark.
Im Trabi sicher gefühlt
Der Tag der Währungsunion war ein Sonntag. Um 8 Uhr öffneten auch in der Commerzbank-Geschäftsstelle Halle die Bankschalter - und zahlten D-Mark aus. „Es war wirklich sehr emotional. Die Menschen waren glücklich, wenn sie die Geldscheine in den Händen hielten“, sagt Müller. Und auch er habe sich diesem Moment nicht entziehen können „Mir war klar: Das ist etwas Historisches, was hier passiert. Und ich bin Bestandteil des Ganzen.“
Der Andrang war groß, indes habe das Geld in fast allen Filialen ausgereicht. „Nur für Gera musste Nachschub geholt werden. Ich bin einfach dort in die Bundesbank marschiert, und habe gesagt: Ich bin von der Commerzbank, und ich brauche eine Million Mark. Das Geld hat man mir tatsächlich gegen Vorlage meines Personalausweises und einer Visitenkarte ausgehändigt“. In einem bonbonfarbenen Trabant wurde dann die Million befördert. „Ich habe mich in dem Trabi sicherer gefühlt als in jedem Mercedes, weil ja niemand darauf gekommen wäre, dass wir in diesem Auto eine Million Mark dabei haben.“
Chef aus London am Schalter
Die Währungsunion wurde zunächst vor allem mit Mitarbeitern aus dem Westen durchgezogen. „Auf einer Filialleiter-Konferenz in Frankfurt habe ich um Unterstützung geworben, ja, gefleht: Gebt uns Personal! Der Leiter der Großfiliale London ist aufgestanden und hat gesagt: Ich habe noch drei Wochen Urlaub. Tatsächlich stand er am 1. Juli in Halle am Schalter, danach zwei Wochen in Leipzig.“ Später wurden dann immer mehr ostdeutsche Kollegen eingesetzt, die bereits ab März 1990 im Westen geschult worden waren. „Die ostdeutschen Mitarbeiter, die ja häufig aus der Versicherungsbranche oder dem kaufmännischen Bereich kamen, haben damals einen tollen Job gemacht. Mit welchem Fleiß sie sich in die neue Aufgabe gestürzt haben, das war beeindruckend.“
Westgeld in Barkas transportiert
Während sich die Commerzbank ein ganz neues, eigenes Filialsystem aufbaute, suchten sich andere Banken Partner. Das Gros der Umstellung leistete in Halle die Sparkasse. „Zwischen 11. Juni und 10. Juli haben wir 360.000 Anträge auf Umstellung bearbeitet“, so Christa Pannicke, damals bei der Datenerfassung der Sparkasse. In Wäschekörben aufgetürmt, hätten die Formulare auf dem Boden gelegen. Das Westgeld für die Sparkasse in Halle und die Region fuhr dann im klapprigen Barkas auf dem Innenhof in der Rathausstraße vor.
Ein paar Volkspolizisten sicherten den ungepanzerten Millionen-Transport. Mitarbeiter der Sparkasse, darunter Kollegen im Rentenalter, packten sich die Säcke und schleppten sie in die Hauptkasse. Von dort verteilten sie sie noch am gleichen Tag an die damals 40 Zweigstellen der Stadt- und Saalkreissparkasse. „Nach heutigen Sicherheitsstandards war das Prozedere absolut unvorstellbar. Aber damals war vieles möglich“, erinnerte sich Siegfried Pannicke, der damalige Vize-Direktor der Sparkasse, an die Einführung der D-Mark in Halle. (mz)


