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Vortrag zu Vergewaltigungsmythen Vortrag zu Vergewaltigungsmythen: Die Mär vom zu kurzen Rock

04.12.2014, 14:50

Halle (Saale) - Der Titel klingt sperrig, doch das Thema ist brisant. Heute Abend hält die Bielefelder Sozialpsychologin Sandra Schwark einen Vortrag über „Vergewaltigungskultur“ und „den Einfluss kultureller Mythen auf den Umgang mit sexualisierter Gewalt“. MZ-Mitarbeiterin Doreen Hoyer sprach vor ihrem Vortrag mit der Wissenschaftlerin über den Umgang mit Vergewaltigungsopfern in Deutschland und die Motive der Täter.

Frau Schwark, was meinen Sie mit dem Begriff „Vergewaltigungskultur“?

Schwark: Dieses Wort beschreibt einen Zustand, in dem Vergewaltigungen in einer Gesellschaft einfach akzeptiert werden. Sie gelten als unvermeidlich, entsprechend rüde wird mit den Opfern umgegangen. Dieser Zustand herrscht in Deutschland. Ein Beispiel: In München wurde eine junge Frau in ihrem Wohnhaus überfallen, die Polizei kam. Später wurde ihr Mietvertrag gelöst. Zur Begründung hieß es, die Frau hätte Ärger im Haus gemacht.

Welche Vorstellungen haben die Deutschen von Vergewaltigungen ?

Schwark: Meistens die falschen. Viele Leute denken beim Wort „Vergewaltigung“ an einen Mann, der eine fremde Frau im Park oder in einer Tiefgarage überfällt. Tatsächlich kennen die meisten Opfer den Täter gut, er stammt aus dem Bekanntenkreis oder der eigenen Familie. Oft findet die Vergewaltigung auch nicht an einem öffentlichen Ort statt, sondern in einer Wohnung.

In letzter Zeit hört man oft von „Pick up Artists“. Das sind selbst ernannte Verführungskünstler. Was halten Sie von solchen Männern?

Schwark: Diese Leute kann man zur Vergewaltigungskultur zählen. Sie bieten Kurse an, in denen Männer lernen sollen, wie man Frauen lenkt und ins Bett bekommt. Die Teilnehmer zahlen dafür eine Menge Geld. Die Pick up Artists wenden teilweise auch Gewalt an. Einer dieser „Künstler“ beschreibt zum Beispiel, wie er Frauen zur Begrüßung würgt. Angeblich bekommt er so von ihnen, was er will.

Mit welchen Vorurteilen haben die Opfer zu kämpfen?

Schwark: Ihnen wird oft nicht geglaubt. Dann heißt es: Die Frau hatte einen sehr kurzen Rock an, sie hat den Mann provoziert. Männer schieben Frauen die Schuld zu, um ihre Aggressionen zu rechtfertigen. Aber auch andere Frauen beschuldigen die Opfer. Sie wollen glauben, dass ihnen so etwas nicht passieren kann.

Wie werden Vergewaltiger in der Gesellschaft gesehen?

Schwark: Die meisten Menschen glauben, die Täter wären alle psychisch krank. Das stimmt nicht. Bei der großen Mehrheit der Gefassten können keine klinischen Auffälligkeiten festgestellt werden.

Werden auch Männer Opfer von Vergewaltigungen?

Schwark: Ja, das kommt vor. Solche Fälle sind aber selten. Manchmal werden Männer von Frauen vergewaltigt, manchmal von anderen Männern. Die Täter sind dann oft gar nicht homosexuell. Ihnen geht es in erster Linie darum, Macht und Dominanz auszuüben. Ihre sexuelle Befriedigung ist zweitrangig.

Wie kann man mehr Verständnis für die Opfer schaffen?

Schwark: Das ist eine gute Frage, mit der sich Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten beschäftigen. Meiner Meinung nach muss viel mehr Aufklärung betrieben werden. Die Menschen müssen verstehen, dass nicht nur ein bestimmter Typ Frau zum Opfer werden kann.

(mz)

Sandra Schwark hält ihren Vortrag am Donnerstag um 19 Uhr im Hörsaal 20 des Melanchthonianums am Universitätsplatz in Halle. Der Eintritt ist frei.