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Vor 40 Jahren Vor 40 Jahren: Der Turmbau zu Halle

Von Michael Falgowski 04.09.2015, 08:29
Der Rote Turm erhielt im September 1975 sein Dach.
Der Rote Turm erhielt im September 1975 sein Dach. LDA/Gotthard Voß Lizenz

Halle (Saale) - Wie bekommt man eine 20 Meter hohe Turmspitze, eine tonnenschwere, kupferblechgedeckte Konstruktion, hinauf auf rund 60 Meter? Und das 1975. Der Einsatz sowjetischer Hubschrauber wurde als nicht praktikabel verworfen. Die einzige Lösung war der größte mobile Kran der DDR. Der „Gottwald“ aus Westdeutschland vom Industriemontagebau Merseburg war der einzige, der einen 100-Meter-Ausleger hatte. Nur für fünf Tage konnte der republikweit ausgebuchte Großkran auf Halles Markt stehen. Das war wenig Zeit für die spektakuläre Aktion des Turmbaus, für die es kein Vorbild gab.

Am 12. September 1975, vor 40 Jahren, aber war es soweit: Als letztes Teil wurde die Spitze aufgesetzt. Der Rote Turm hatte sein 40 Meter hohes Dach wieder, das in den letzten Kriegstagen nach einem Granat-Treffer herabgestützt war. Tausende Hallenser hatten die Arbeiten von stadtgeschichtlichem Format verfolgt. Landesweit sorgte diese Aktion in rund 80 Metern Höhe für Schlagzeilen.

„Alle, die direkt daran beteiligt waren, gerieten bei diesem Projekt beinahe in eine Art Euphorie“, sagt Gotthard Voß heute. Seit 1965 war er bei der Denkmalpflege in Halle tätig, seit der Wende bis 2003 als Landeskonservator Sachsen-Anhalts. Voß gehörte zu jenen Denkmalpflegern, die 1974 die Initiative zum gewagten Turmbau von Halle ergriffen. Pläne gab es dafür nicht.

Kühner Plan

Voß, selber Architekt, und ein Kollege aus Berlin, der die Statik übernahm, fertigten nach Fotos die ersten Pläne für den neuen Turmhelm. Nachdem Partei und Stadtregierung dem Vorhaben ihren Segen gegeben hatten, wurde der kühne Plan tatsächlich umgesetzt.

„Alle haben damals sehr unbürokratisch zusammengearbeitet. Hilfe kam von überall. Wir wundern uns heute, dass das auch termingerecht so gut funktioniert hat“, erinnert sich Hans-Joachim Mathesius . Der Technologe koordinierte damals beim VEB Baureparaturen, dem städtischen Baubetrieb, die Arbeiten zum Wiederaufbau, für die es kein Vorbild gab. „Was Technologie, aber auch Tonnage und Größe betrifft, war dieses Projekt in der DDR einzigartig.“

Der 40 Meter hohe, neue Helm des mittelalterlichen Turmes - bis zum Einsturz aus Holz - bestand aus Unterteil, Laterne, Spitze sowie den vier Ecktürmen. Die Stahlkonstruktion wurde vom VEB Metallleichtbaukombinat in Halle gebaut und auf dem Markt vormontiert. Die Holzspitzen kamen vom VEB Denkmalpflege Magdeburg.

„Der Rote hat seine Spitze wieder“

1975 erhielt das 84 Meter hohe Wahrzeichen Halles seine Gestalt zurück. Wenige Tage vor dem Kriegsende 1945 war der Turm ausgebrannt. Seither war der „Rote“ verstümmelt. Den Helm neu zu bauen, schien lange unerreichbar. Obwohl bereits nach dem Krieg eine Bauhütte „Roter Turm“ dafür Geld gesammelt und bis zum 1000-jährigen Stadtjubiläum 1961 geplant hatte.

Um an das Ereignis des Turmbaus zu Halle zu erinnern, aber auch an die außergewöhnliche Leistung der Planer, Bauleute und der Denkmalpfleger, erklingt am 11. September das Glockenspiel – immerhin das zweitgrößte der Welt. Außerdem wird auf dem Markt der Film „Der Rote hat seine Spitze wieder“ mit Originalaufnahmen von Michael Stabenow gezeigt. Die Veranstaltung beginnt um 20.30 Uhr. Ab Montag weisen Schautafeln auf dem Markt auf die Geschichte dieses halleschen Wiederaufbaus.

Mit der Erinnerung an diesen einzigartigen Wiederaufbau 1975 soll Halles Wahrzeichen wieder stärker in das Bewusstsein der Hallenser rücken. „Der von 1418 bis 1506 fertig gebaute Rote Turm war der einzige frei stehende Glockenturm nördlich der Alpen. Man sieht ihn von allen Seiten. Dennoch hat dieses bedeutende Denkmal keine Lobby“, findet Gotthard Voß. Er hat deshalb im Verein der Freunde und Förderer des Stadtmuseums Halle den „Förderkreis Roter Turm“ gegründet. (mz)