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Gift Vinylchlorid  Vinylchlorid: So wird Halles Grundwasser überwacht

Von Michael Falgowski 22.02.2017, 13:46
Am Nordufer des Hufeisensees wurde Vinylchlorid festgestellt.
Am Nordufer des Hufeisensees wurde Vinylchlorid festgestellt. Silvio Kison

Halle (Saale) - An einer Grundwassermessstelle in der Reideburger Straße wird seit Jahren eine hohe Konzentration von Vinylchlorid gemessen. Vinylchlorid diente der Kunststoffherstellung und ist giftig, das Vorkommen im Grundwasser resultiert jedoch als Abbauprodukt von Tetra- oder Trichlorethylen, Produkte mit denen in der chemischen Industrie, Reinigung oder Entfettung umgegangen wurde.

Vinylchlorid im Grundwasser: Seit Jahren wird regelmäßig kontrolliert

An der Luft verflüchtigt sich Vinylchlorid rasch, im Wasser aber nicht. Eine Gefährdung für die Bevölkerung gibt es laut Steffen Johannemann aber nicht. „Das Grundwasser wird ja nicht für den menschlichen Gebrauch genutzt. Das kommt ja bekanntlich über Fernwasserleitungen in die Stadt. Zudem ist das Vorkommen in der Reideburger Straße engräumig und lagestabil.“ Das weiß der Leiter der städtischen Wasserbehörde so genau, weil das Grundwasser in dem betroffenen Bereich seit 1998 regelmäßig überwacht wird.

Großflächiges Messtellennetz in Halle

So wie an vielen anderen Stellen Halles: Insgesamt 1.665 Bohrungen und Brunnen sind in einem dichten Messstellennetz über das ganze Stadtgebiet verteilt. Sie sind im Grundwasser-Belastungskataster Halles erfasst, das seit mehr als 20 Jahren geführt wird.

Die Überwachung des Grundwassers ist zwar Ländersache, aber die Stadt Halle arbeitet der Fachbehörde zu und hat selbst in Abstimmung mit dem Geologischen Landesamt Sachsen-Anhalt und dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft das Grundwasser-Messstellennetz kontinuierlich ausgebaut: 1993 bestand das potenzielle Beobachtungsnetz noch aus 132 Messstellen, die sehr ungleichmäßig verteilt waren.

Zahlreiche Pegel wiesen zudem gravierende Mängel auf und waren messtechnisch unbrauchbar, sagt Johannemann. Heute verfügt Halles über ein Grundwassermessstellennetz mit der höchsten Dichte an Überwachungspegeln in Sachsen-Anhalt.

Halles Marktplatz hat einen einzigartigen Untergrund.

Was freilich auch den Erfordernissen in der Tiefe der Stadt entspricht. „Halle besitzt einen außerordentlich komplexen und komplizierten geologisch-hydrogeologischen Untergrund“, sagt Johannemann.

Dafür kann die bekannte „Hallesche Verwerfung“ stehen. Diese Lücke zwischen zwei „Schollen“ genau unter dem Markt, an der Halles Sole hervortritt, ist einzigartig in einer deutschen Großstadt. Die Grundwasserpegel reichen zudem von weniger als einem halben Meter, etwa in der Aue, bis zu einer Tiefe von mehr als 20 Metern.

Intensiver Braunkohlenbergbau hat Spuren in Halle hinterlassen

Vor allem haben die jahrhundertelange industrielle Nutzung sowie der intensive Braunkohlenbergbau und die Kaligewinnung rund um Halle herum im Grundwasser Spuren hinterlassen. Deshalb werden die Messungen auch durch ein Monitoring begleitet.

Das erfasst das hydrogeologische Regime der verschiedenen Grundwasserleiter in der Tiefe Halles wie Verläufe und Pegel, aber eben auch die Qualität des Grundwassers in den verschiedenen „Schwerpunktbereichen“.

Mehr als 70 Messstellen wurden für das jährliche Monitoringprogramm ausgewählt. An Stichtagen, jeweils im Frühjahr und im Herbst, werden Proben entnommen.

Hier wird Halles Grundwasser wird nach oben gepumpt und gereinigt

In einigen Schwerpunkten wird das Grundwasser nach oben gepumpt und gereinigt, zum Beispiel in sogenannten Stripp-Kolonnen, wo sich im Kontakt mit Luft-Sauerstoff die Kohlenwasserstoffe verflüchtigen.

Dazu gehören Bereiche im Heide-Süd, an den ehemaligen Panzerwaschanlagen, Teile des ehemaligen Schachtgrabens in der Chemiestraße in Ammendorf oder auch das Areal des ehemaligen Reichsbahnsausbesserungswerks, wo bereits seit 2009 das Grundwasser gereinigt wird. Auch am ehemaligen Tanklager in der Ottostraße wird das Grundwasser wegen der Belastung durch Mineralölkohlenwasserstoffe behandelt. (mz)