Beklebte Verkehrszeichen Verkehr in Halle: Anonymer Künstler beklebt Verkehrsschilder und Ampeln mit lustigen Motiven

Halle (Saale) - Halle ist eine Staufalle. Vorbei an Ampeln, durch die schmalen, gelben Baustellenmarkierungen, bei sengender Sonne. Immer im Schneckentempo. Wer vom einen ans andere Ende der Stadt fährt, plant für zehn Kilometer eine Dreiviertelstunde ein und braucht gute Nerven. Seit drei Wochen gibt es zumindest ein bisschen Ablenkung. Denn an manchen Stellen blitzen neue Verkehrsschilder auf.
Mit U-Booten und Heißluftballons, für die die Durchfahrt genauso verboten ist, wie für Radfahrer. Zu verdanken ist das einem anonymen Künstler, der die Wartezeiten erträglicher machen will: Er klebt Maulwürfe, Eulen und Surfer auf Baustellenschilder, die sonst niemandem ein Lächeln abverlangen. Und manchmal lächelt sogar die Ampel zurück.
Rund 200 Schilder und Ampeln hat der Hallenser schon verziert. Warum? „Weil es dann nicht mehr so trist ist“, sagt er. Ihm gehe es schließlich genauso, wenn er in Halle unterwegs sei. Ruhm will er dafür nicht, er bleibt lieber anonym. Im Fernsehinterview hat er sein Gesicht pixeln lassen, seine Stimme ist nachgesprochen. Er fürchtet sich vor Anzeigen und Folgen der Straßenkunst. Darüber, dass er hinter kreativen Schildern steckt, spricht er nur im engsten Freundeskreis. Und mit seiner Partnerin, die ihn ab und zu bei seinen Touren begleitet.
Die gehen vor allem zu den staureichen Plätzen der Stadt. An die Hochstraße, wo die Verkehrsteilnehmer durch die Baustelle schleichen. Die Ampel hat ein trauriges Smiley bei Rot, ein neutrales bei Gelb und ein lächelndes bei Grün. Am Gimritzer Damm flattert eine Eule mit Kulleraugen auf einem Baustellenschild. Das Rennbahnkreuz hat einen Fußballer und einen Radfahrer, der den Außerirdischen E.T. in seinem Körbchen chauffiert.
Meist beklebt der Mann die Schilder nachts. Und das auch nur, wenn sie leicht zu erreichen sind. „Mit einer Leiter durch die Gegend zu rennen ist zu auffällig“, erzählt er. Deshalb klettert er lieber an Geländern hoch, wenn die Schilder nicht anders zu erreichen sind. Die vielen Baustellen spielen ihm in die Karten. „Die provisorischen Schilder hängen tief, da komme ich im Vorbeigehen dran“, sagt er.
Diese Stadt vermarktet verzierte Schilder legal
Bevor er loszieht, schneidet er die Motive an seinem Arbeitsplatz oder zu Hause aus schwarzer und weißer Möbel-Klebefolie aus, die leicht entfernt werden kann. Zudem beklebt er die Schilder nur so, dass ihre ursprüngliche Aussage zu erkennen ist. „Ich möchte nicht für gefährliche Situationen verantwortlich sein oder als Vandale gelten.“ Auch wenn die „Verzierungen“ der Verkehrsschilder durchaus echten Kunstcharakter haben - als Künstler im eigentlichen Sinne sieht er sich nicht und hat auch nichts dergleichen studiert.
Wie Verkehrsschilder aussehen dürfen, ist in der Straßenverkehrsordnung festgelegt. Deshalb können hohe Bußgelder drohen, wenn jemand die Zeichen auf eigene Faust verändert. Rechtlich handelt es sich beim Verzieren um Sachbeschädigung, auch wenn die Aufkleber mit einfachen Mitteln rückstandslos entfernt werden können. Denn trotzdem entstehen dadurch Kosten. So schätzt beispielsweise die Stadt Dresden den jährlichen Schaden auf etwa 50.000 Euro pro Jahr, wobei dort auch Schilderschmierereien mit Graffiti und andere Beschädigungen berechnet werden. Das bezahlt am Ende der Steuerzahler, denn nur im Einzelfall werden die Täter gestellt.
Gefährlich wird die nett gemeinte Kunst, wenn Verkehrsschilder derart verunstaltet werden, dass man ihre Aussage gar nicht mehr erkennen kann: Dann müssen die Verursacher sogar mit einer polizeilichen Ermittlung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr rechnen.
Das mit den Schildern scheint aber doch so etwas wie ein Hobby geworden zu sein. Die Motiv-Mappe liegt immer griffbereit. Kommt jemand herein, packt er sie schnell beiseite. Ideen hat er genug, im Internet gibt es ausreichend Vorbilder - neu ist die Idee nicht. „In Berlin gibt es eine total aktive Szene, in einigen Stadtteilen wird das geduldet“, erzählt der Mann. Als Mekka für die Schilderverzierer gilt die italienische Stadt Florenz.
Die dortigen Geschäftsleute haben das Potenzial erkannt und vermarkten ihre Verkehrsschilder auf legale Art und Weise. Sie bieten kunstvoll verzierte Modelle zum Kauf an und vertreiben allerlei Krimskrams wie Kühlschrankmagneten. Der wohl berühmteste Künstler aber ist der Franzose Clet Abraham. Er hat schon in vielen europäischen Metropolen Straßenschilder umgestaltet.
Ob es soweit auch in Halle kommen wird? Die Saalestadt sogar für ihre Kreativität bekannt wird? „Schön wäre es, aber unwahrscheinlich“, sagt der hallesche Verkehrsschild-Verzierer. Auch wenn es mittlerweile andere gibt, die Schilder bekleben. Ihm sind schon Motive aufgefallen, die nicht von ihm stammen. Außerdem ist die Stadtverwaltung darauf bedacht, alle Aufkleber zu entfernen.
Ein Kampf gegen Windmühlen, wenn man bedenkt, dass es etwa 65.000 Verkehrsschilder und knapp 150 Ampeln in Halle gibt. Dennoch: „Das Aussehen von Verkehrszeichen ist gesetzlich vorgeschrieben“, argumentiert Stadtsprecher Drago Bock. Von einer Anzeige wegen Sachbeschädigung oder einem Ordnungswidrigkeitsverfahren will die Stadt aber absehen. Vielleicht haben die Beamten ja auch Gefallen an der Schilderkunst gefunden. (mz)

