Unbeliebtes Relikt aus DDR-Zeiten Unbeliebtes Relikt aus DDR-Zeiten: Nur noch Halle liebt den grünen Pfeil

Halle (Saale) - Er ist ein Stück DDR, das nach der Wiedervereinigung auch im Westen Einzug gehalten und bis heute überlebt hat: Der grüne Blechpfeil, der es Autofahrern erlaubt, nach vorherigem Anhalten auch an roten Ampeln rechts abzubiegen.
In vielen Städten wird der Grünpfeil seit Jahren seltener - nur nicht in Halle. Das zeigt eine Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage der MZ. Gab es im Jahr 1993, dem ersten Jahr, für das in Halle Daten vorliegen, nur 21 Blechpfeile, waren es im Jahr 2003 schon 29. Heute hängen in der Saalestadt sogar 34 Grünpfeile an 24 Kreuzungen.
Andere Städte bauen grünen Pfeil ab, Halle bleibt dabei
Halle liebt den Blechpfeil und steht damit offenbar ziemlich alleine da. Nach MDR-Recherchen wurden in den vergangenen 15 Jahren in anderen Städten wie Magdeburg (minus 37 Prozent), Chemnitz und Leipzig (minus 34 Prozent) und Frankfurt (minus 78 Prozent) viele Verkehrsschilder abgebaut. Grund für den Schwund des Verkehrszeichens 720, wie es offiziell heißt, sind Sicherheitsgründe.
Sowohl die Installation als auch der Abbau sei gesetzlich geregelt, erklärt Halles Fachbereichsleiter für Sicherheit, Tobias Teschner: „Im Falle einer Häufung von Unfällen, bei denen der Grünpfeil ein unfallbegünstigender Faktor war, ist der Grünpfeil zu entfernen.“ Eine Häufung liege vor, wenn innerhalb von drei Jahren mindestens zwei Unfälle mit Personenschaden, drei mit schwerwiegendem oder fünf mit geringfügigem Verkehrsverstoß registriert würden.
Grünpfeil in Halle: Was sagt die Unfallstatistik der Polizei?
Laut Polizeistatistik ereigneten sich in Halle während der vergangenen fünf Jahre 20 Verkehrsunfälle an Kreuzungen mit Blechpfeil. Am häufigsten krachte es an der Richard-Paulick-Straße/Ecke Zollrain und „An der Saalebahn“/Ecke Magdeburger Chaussee. Die Unfallfahrer verursachen dabei nicht nur Sach- und Personenschäden, sondern sorgen auch für ein negatives Image der Pfeile und für deren Entfernung. Der einzige Pfeil, der in den vergangenen fünf Jahren an der Regensburger Straße/Merseburger Straße neu angebracht wurde, wurde im Jahr 2018 wieder abgehängt. Grund: Es passierten zu viele Unfälle.
Fußgängerlobby hält Grünpfeil für lebensgefährlich
Das passt ins Bild, das Gegner des Verkehrszeichens vom Grünpfeil haben, etwa der Berliner Fußgängerfachverband „Fuss“. „Wo an einer Ampel ein grüner Abbiegepfeil hängt, sollte besser ein giftgrüner Totenkopf aufs Blechschild“, sagt Verbandsmitglied Peter Struben, den der Verein als „Grünpfeil-Experten“ bezeichnet. Das Schild sei gefährlich und in Deutschland oft entgegen der gesetzlichen Regeln angebracht.
Die Fußgängerlobby fordert: Mindestens wenn Fuß- und Radwege kreuzen, müssen die Grünpfeile allesamt verschwinden.
Polizei überwacht Kreuzungen mit grünpfeil engmaschig
Die Vorbehalte gegen die Schilder sind nicht neu. Weil die Verkehrszeichen in Verdacht stehen, für eine Unfallhäufung verantwortlich zu sein, werden Kreuzungen, an denen sie angebracht sind, deshalb engmaschig überwacht. Das sei auch in Halle der Fall, sagt Polizeisprecherin Lisa Wirth. Grundsätzlich sieht die Polizei aber kein Sicherheitsrisiko: „Derzeit wird keine Gefahr in der vorhandenen Beschilderung gesehen“, so Wirth. Auch Sicherheitschef Teschner sieht die Blechpfeile grundsätzlich positiv. Sie seien eine Möglichkeit, die Flüssigkeit des Verkehrs zu verbessern, insbesondere an Knoten mit viel Verkehr.
Grüner Pfeil: Das Anhalten beachten viele Autofahrer jedoch nicht
So sorgt etwa ein Blechpfeil am Glauchaer Platz dafür, dass Fahrer, die von der Magistrale nach rechts in Richtung Halle-Süd abbiegen wollen, auch bei Rot fahren dürfen und die ohnehin volle Kreuzung entlasten. Viele tun das allerdings, ohne vorher komplett zum Stehen zu kommen, obwohl das die Straßenverkehrsordnung vorschreibt. Bei einer Stichprobe der MZ fuhr mindestens jedes zweite Auto ohne zu bremsen über die rote Ampel. Theoretisch kostet das 70 Euro und bringt einen Punkt in Flensburg ein. Geahndet werden die Tausenden Verstöße in Halle jedoch kaum. Laut Polizei wurden im Vorjahr gerade einmal sieben Anzeigen wegen Nichteinhaltung der Anhalte-Regelung gefertigt.
Der Blechpfeil wurde im Jahr 1978 in der DDR eingeführt, später auch in Westdeutschland. In einigen Ländern, etwa den USA dürfen Autofahrer sogar grundsätzlich bei Rot rechts abbiegen, außer ein Schild verbietet das. (mz)