Tradition Tradition: Schlürfen ist erlaubt

Halle/MZ - Tee kochen? Das ist einfach: Beutel ins Glas, heißes Wasser drüber, ein paar Minuten waren, fertig! Ein Japaner dürfte sich allein beim Gedanken an so eine Zubereitung mit Schrecken abwenden. Bei Naemi Iwasaki wäre der Schrecken vermutlich besonders groß. Iwasaki ist eine japanische Tee-Meisterin. Auf Einladung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft (DJG) Halle-Saalekreis war sie am Wochenende mit sechs weiteren Tee-Meisterinnen im Kunsthaus „f2“ an der Fährstraße zu Gast.
Auch der japanische Botschafter war nebst Gattin angereist, um dem Ritual beizuwohnen: Die Tee-Zeremonie, sagte Takeshi Nakane zur Begrüßung, sei in Japan ein „Gesamtkunstwerk, das alle Sinne anspricht“. Botschafter Nakane sowie DJG-Präsident Gero Seifert und Halles Kulturdezernentin Judith Marquardt durften dann auch als Erste an der Zeremonie teilhaben.
Doch auch die übrigen rund 60 Gäste durften alle mal probieren. Und zwar nicht nur vom Tee, sondern auch von den zuvor traditionell gereichten Süßigkeiten. Die waren ebenfalls kleine Kunstwerke, hergestellt aus rätselhaften Inhaltsstoffen, aber aufgrund ihres Aussehens fast zu schade zum Essen. Aber eben nur fast.
"Einzigartigkeit des Augenblicks"
Der Tee, den die Meisterinnen servierten, hatte ebenfalls wenig mit dem hierzulande bekannten Heißgetränk zu tun. Es gab Koicha, so genannten „dicken Tee“, eine giftgrüne Flüssigkeit von höchst intensivem Geschmack.
Getrunken wird natürlich auch nicht irgendwie: Vielmehr wird auch die kunstvoll verzierte Teeschale nach einem strengen Ritual vom Gastgeber an den Gast übergeben. Der nimmt sie mit der rechten Hand auf und stellt die Schale dann auf die Fläche der linken Hand. Getrunken werden darf dann aber „ganz unbefangen“. Sogar Schlürfen ist erlaubt, teilte die Tee-Meisterin mit.
„Ichigo Ichie“, das meint im Japanischen die „Einzigartigkeit des Augenblicks“ - und dies könnte als Motto für eine jede Tee-Zeremonie stehen. Die Tee-Zeremonie hat in Japan inzwischen eine rund 400-jährige Tradition. Vier Grundstimmungen sind es, die bei der Tee-Zeremonie im Vordergrund stehen: Harmonie, Hochachtung (gegenüber Gast und Gastgeber), Reinheit und Stille.
Das freilich kann man sich ruhig auch bei einer ganz normalen Tasse Fencheltee zu Herzen nehmen.
