Der Einzelkämpfer Thorsten Margis der Einzelkämpfer

Halle (Saale) - Die alte Laufhalle in der Kochstraße wirkt verwaist. Nur am Ende der Sprintbahnen quält sich ein einzelner Sportler unermüdlich. Vor einem Berg von Matten hat sich Thorsten Margis mehrere Kastenteile aufeinander getürmt.
Geht in die Hocke und katapultiert sich nach oben. Immer wieder. „Das hilft, die Motorik anzusprechen“, erklärt Margis. „Nach dem Krafttraining ist man immer so träge.“ Zuvor hatte der 28-Jährige schließlich im Kraftraum Gewichte gestemmt: Kniebeugen mit 240 Kilogramm auf den Schultern.
Das alles sieht gewaltig nach Quälerei aus. Doch Thorsten Margis weiß, wofür er es tut. Vierfacher Weltmeister ist er. Das nächste Ziel ist der Olympiastart. Bei den Spielen in Februar im südkoreanischen Pyeongchang will er als Anschieber mit Bobpilot Francesco Friedrich um Gold kämpfen.
Margis Ziel ist der Olympiastart: Verschiedene Vorbereitungen
Als Wintersportler ist Margis in Halle ein Exot. Ein Wechsel in eines der Wintersportzentren kommt für den SV-Athleten aber nicht in Frage. „Hier habe ich alles, was ich brauche“, sagt Margis. Bei Freundin Inken ist er in den besten physiotherapeutischen Händen. Außerdem studiert er Maschinenbau in Merseburg.
Lange Zeit war der 28-Jährige Zehnkämpfer, deshalb trainiert er auch unter Mehrkampf-Coach Wolfgang Kühne. Trotzdem ist er so etwas wie der Einzelkämpfer. „80 Prozent meines Trainings mache ich allein“, sagt Margis. Wegen der unterschiedlichen Phasen der Wettkampfvorbereitung geht das auch gar nicht anders. Starten die Leichtathleten in ihre heiße Phase, ist er noch im Aufbau.
Und kurz bevor es bei Margis um Alles oder Nichts geht, legen die Trainingskollegen gerade den Grundstein für einen erfolgreichen nächsten Sommer.
Auch deshalb ist er dieser Tage allein. Coach Kühne hat Urlaub. Und auch die anderen aus der Trainingsgruppe fehlen. Mit der Leichtathletik-WM Anfang August in London hatten sie ihren Saisonhöhepunkt. Rico Freimuth konnte sich als Vizeweltmeister feiern lassen.
Gute Bedingungen für Thorsten Margis in Halle
Margis hat sich darauf eingestellt. Er arbeitet nach Plänen seines Coaches. Und zeigt dabei ein hohes Maß an Selbstdisziplin. „Das war nicht immer so“, gesteht er, „am Anfang habe ich auch mal einen Lauf weggelassen.“ Doch er hat gemerkt, dass Bequemlichkeit nichts bringt. Die Willensstärke und hohen Anforderungen an sich selbst sind Faktoren, die ihm zu dem Erfolg mit verholfen haben.
Einen festen Platz hinter Pilot Francesco Friedrich hat sich Thorsten Margis in den letzten Jahren immer wieder durch starke Leistungen bei den Tests vorab erarbeitet. 2015 und 2016 wurden die beiden Weltmeister im Zweierbob. Im vergangenen Winter saß Margis sowohl in dem kleinen Schlitten, der zu WM-Gold fuhr, als auch in dem siegreichen großen, dem Vierer.
Das war umso bemerkenswerter, weil Margis sich im Juli 2016 bei einem Sturz eine Handverletzung zugezogen hatte. In diesem Sommer blieben ihm längere Ausfallzeiten erspart. Eine Zerrung im Bein und eine ausgekugelte Schulter beim Bankdrücken haben sich nicht als große Störfeuer erwiesen.
Vor dem Saisonhöhepunkt, den Olympischen Spielen Anfang Februar in Südkorea, gibt es zum Aufwärmen die Weltcups. Los geht’s am 9. und 10. November in Lake Placid. Es folgen noch im gleichen Monat Park City (beides USA) und Whistler (Kanada). (mz)
Bei Wolfgang Kühne trainiert Margis, seit er vor neun Jahren nach Halle kam. Bis er 2011 in den Eiskanal wechselte, versuchte er sich in der Königsdisziplin der Leichtathleten, brachte es auf 7.707 Punkte. Beachtlich, aber international im Spitzenbereich nicht wettbewerbsfähig.
Doch wie viel Zehnkämpfer steckt heute noch in ihm? Margis muss lachen. Rico Freimuth hatte die Frage vor zwei Jahren auch gestellt. Also schlossen sie eine Wette ab, ob Margis im Stabhochsprung noch vier Meter schafft. Margis gewann. „Stabhochspringen macht Spaß“, sagt er. Mit anderen Disziplinen hat er dagegen abgeschlossen. Das Laufen beispielsweise vermisse er weniger. Und über die Hürden, sagt er, würde er wohl kaum noch kommen.
Trotzdem: Im Zehnkampf sei es immer ein großartiges Gefühl gewesen, erzählt Margis, wenn man einen Wettkampf beendet hat. Auch der Zusammenhalt der Athleten, das gegenseitige Helfen und Anfeuern empfand er als etwas Besonderes. Im Bobsport sind alle doch mehr Konkurrenten. Einzelkämpfer eben, die um die wenigen Plätze hinter den Piloten wetteifern.
In Oberhof erster Leistungstest im Olympiajahr
Margis gehört da zu den Besten. Für ihn hat sich der Wechsel in den Eiskanal gelohnt. Deshalb ist es ihm nicht schwer gefallen, die Leichtathletik-WM am TV zu verfolgen. „Wenn ich aufgehört hätte mit dem Sport, wäre ich sicher verrückt geworden. Aber da ich im Bob erfolgreich bin, hatte ich solche Gedanken nicht.“
Erfolge sind die harte Währung, gerade im Olympiajahr. Deshalb geht es schon jetzt mit dem Vorgeplänkel los. Am Samstag steht in Oberhof der erste Verbandstest an. Der erste Schritt Richtung Olympia-Medaille. (mz)