Test in Halle Test in Halle: Kein Spaß auf der Buckelpiste

Halle/MZ - Volker Preibisch ist ein absoluter Radfahr-Fan. Der Hallenser strampelt im Jahr 5 000 Kilometer, davon 2 000 in Halle, den Rest im Urlaub in ganz Europa. „Ich habe in keiner anderen Stadt so schlechte Straßen für Radler wie in Halle gesehen. Nur in Kaliningrad war es schlimmer“, sagt der Landesvorsitzende des Allgemeinen Fahrradclubs Deutschlands (ADFC). Gemeinsam mit David Tucker und Johannes Spengler vom ADFC hat die MZ die gefährlichste Strecke der Stadt inspiziert: vom Markt zum Giebichenstein und zurück übers Mühlwegviertel. Radwege gibt es hier kaum - dafür jede Menge Behinderungen für Radler.
Die Kleine Ulrichstraße hat gleich die erste Gefahrenquelle: Das lose verlegte und unverfugte Beton-Pflaster hebt sich an vielen Stellen. In so manche Spalte zwischen den lockeren Steinen passt ein Reifen. Schuld daran sind nach Preibischs Ansicht die Autofahrer, die das Pflaster regelrecht kaputtfahren. „Dabei ist das hier ein Teil der Haupt-Nord-Süd-Route für Radfahrer“, sagt Preibisch. Das Problem ist der Stadt bekannt: Nach Ablauf der Gewährleistungsfrist haben sich hier die Steine gelockert, heißt es aus der Pressestelle. 2014 soll die schon teilweise begonnene Neuverlegung fortgesetzt werden. Auf den MZ-Hinweis sind jetzt Schilder aufgestellt worden, die auf die Höchstgeschwindigkeit von zehn Kilometern pro Stunde hinweisen. Kurios: Vorher galt hier sieben Kilometer pro Stunde als Höchstgeschwindigkeit.
Das gleiche Spiel in der Geiststraße, wo sich ebenfalls loses Pflaster wahlweise hebt oder senkt. Hinzu kommt hier in der entgegengesetzten Fahrtrichtung ein weiteres Gefahrenpotenzial: Radler müssen dicht an parkenden Autos vorbeifahren - erst kürzlich wurde eine Radfahrerin in der Innenstadt verletzt, weil ein Autofahrer die Tür geöffnet hatte und die Frau nicht mehr ausweichen konnte. Die Stadtverwaltung sagt aber zu dem Problem: „Akute Gefahrenstellen bestehen zurzeit nicht.“
Zur Adam-Kuckhoff-Straße führt ein Schlenker über die Kardinal-Albrecht-Straße, die ein Ausweichmänover wegen eines tiefen Schlaglochs erforderlich macht. In der Adam-Kuckhoff-Straße kann man nicht wirklich von einem Straßenbelag sprechen: Pflaster, geflickt mit Teer, der wieder wegplatzt, Schlaglöcher, Buckelpiste. „Das stammt noch aus Kaisers Zeiten, und es zerlegt einem hier das Fahrrad“, schätzt Preibisch die Lage ein.
In die Richard-Wagner-Straße geht es über die Ludwig-Wucherer-Straße, die einen ordentlichen Radweg hat. Unmittelbar vor dem Landesmuseum ist vor einigen Jahren altes Pflaster neu verlegt worden. Aber dort gibt es bis zu sieben Zentimeter breite Fugen zwischen den Steinen - eine Stolperfalle für Fahrradfahrer ebenso wie für eine Passantin, die in dem Zwischenraum hängenbleibt. „Amateurhaft verlegt“, meint Preibisch.
"Kein hohes Unfallrisiko"
Nicht besser sieht es in der Großen Gosenstraße aus, wo zwar die Fußwege saniert worden sind, doch das buckelige Kopfsteinpflaster immer noch da ist und das Radeln zum Glücksspiel machen. „Kein hohes Unfallrisiko“, meint Stadtsprecher Drago Bock - Radfahrer sollten hier einfach besonders umsichtig fahren. Die Instandsetzung der Fahrbahn stehe noch aus.
Gefährlich ist auch der Rückweg über die Burgstraße, wo Radler zwischen der Bordsteinkante und dem Gleisbett zwar 80 Zentimeter Platz haben. Was dennoch waghalsig ist: Ein Teil dieser 80 Zentimeter besteht aus Gleisplatten, ein anderer Teil aus Kopfsteinpflaster. Eigentlich muss man deswegen zwischen den Gleisen fahren - was zu Hup-Attacken von Autofahrern führt.
Am Kirchtor noch einmal Kopfstein-Pflaster-Buckelpiste und eine riskante Situation in der Großen Wallstraße, obwohl die sogar einen Radweg hat: An der Einmündung zum Jägerplatz verdeckt eine hohe Hecke den Radler, der so von Autofahrern übersehen werden kann. Immerhin: Zwischen Kirchtor und Hermannstraße will die Stadt aktiv werden und das verschlissene Pflaster („Das alte Großpflaster weist breite Fugen auf, die Kanten sind stark abgerundet“) erneuern. Ein Antrag dafür sei bei der Denkmalbehörde gestellt, heißt es.
Fazit: „Es wird in Halle zu wenig in den Straßenbau investiert“, kritisiert Preibisch. 1995 habe der Stadtrat beschlossen, anteilig so viele Mittel in den Straßenbau für Radfahrer einzuplanen, wie prozentual Radfahrer in Halle unterwegs sind. Aktuell liege diese Zahl bei zehn Prozent. Das wären drei Millionen Euro pro Jahr - doch davon sei man in Halle weit entfernt. Immerhin: Am Runden Tisch Radverkehr sei eine bessere Zusammenarbeit mit dem Beigeordneten Uwe Stäglin möglich als mit seinem Vorgänger. Vielleicht, so Preibisch, liegt das Problem hierin: „Halle hatte vor der Wende nur einen Radfahreranteil von fünf Prozent und ist keine gewachsene Fahrradstadt.“
Das Geld bleibt das Problem: Auch 2014 können nur provisorische Reparaturen zum Beispiel im Paulusviertel durchgeführt werden, so die Pressestelle. „Nur ein grundhafter Ausbau würde das Problem lösen“, so Referent Markus Folgner. Doch dafür sei keine Finanzierung in Aussicht.
Bis 2017 sind im Bereich Altstadt und nördliche Innenstadt Straßenbaumaßnahmen geplant, durch die zwar wegen der zu geringen Straßenbreiten keine Radwege neu gebaut werden, die aber den Fahrkomfort für Pedalritter verbessern sollen. 2014 wird in der Dachritzstraße gebaut, 2014/15 in der Schulstraße. Und im Rahmen des Stadtbahnprogramms soll 2017 in der Großen Steinstraße und in der Barfüßerstraße für bessere Straßen gesorgt werden.
