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Dankbar für jede Hilfe Tafel in Halle: „Wir bekämpfen die Armut nicht, aber wir lindern sie“

Mit einem von zwei Gastronomen spendierten Kleintransporter können Lebensmittel für die Tafel herangeschafft werden. Doch es fehlt weitere Unterstützung.

Von Annette Herold-Stolze 15.10.2021, 13:03
Mitarbeiter der Tafel räumen Lebensmittel ein.
Mitarbeiter der Tafel räumen Lebensmittel ein. (Foto: Silvio Kison)

Halle (Saale)/MZ - Wenn es Brötchen und Käse gibt, ist das ein Glückstag für den 65-Jährigen. Beides isst der Mann gern zum Frühstück. Ein- bis zweimal in der Woche kommt er zur Tafel in die Tangermünder Straße, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Er steht kurz vor der Altersrente, wie er erzählt. „Da findet man nicht mehr so einfach Arbeit.“ Bei seinem schmalen Einkommen müsse er sehr aufs Geld achten - die Tafel sei da eine große Hilfe.

Das sehen viele der täglich um die 60 Kunden - darunter viele mit Familie - so, doch zuletzt waren die Helfer selbst in Not geraten. Der größere der beiden Kleintransporter, mit denen ehrenamtliche Helfer Waren für die Tafel von Märkten abholen, musste dringend erneuert werden. Unterstützer fanden sich in zwei Gastronomen: Daniel Heller, Geschäftsführer der Volksküche mit Sitz in Eisleben, und Rainer vor der Straße, Chef der halleschen Heideklause GmbH, spendierten einen neuen Kühltransporter. Am Donnerstag wurde er übergeben. „Diese Spende hat den Vorteil, dass sie einem guten Zweck vor Ort zugute kommt“, sagte Heller, der seit Jahren mit der Evangelischen Stadtmission, dem Träger der Tafel, zusammenarbeitet.

„Wir bekämpfen die Armut nicht, aber wir lindern sie“

„Wir bekämpfen die Armut nicht, aber wir lindern sie“, sagte Andreas Steppuhn, Landesvorsitzender der Tafeln, über deren Arbeit. „Es geht um die zusätzliche Versorgung von Menschen, damit sie ein etwas besseres Leben haben.“ Die Angebote der Tafel seien für viele Menschen in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen zwingend notwendig, betonte Ernst-Christoph Römer, Geschäftsführer der Stadtmission. Er hob das Zusammenspiel von behinderten Mitarbeitern der Stadtmissions-Werkstätten und ehrenamtlichen Helfern in der Neustädter Einrichtung hervor. Kritik übte er an der Praxis, dass es keine Grundfinanzierung der Tafeln aus öffentlichen Mitteln gibt. „In einem so reichen Sozialstaat“ sei das schwer einzusehen.

Die Gastronomen Rainer vor der Straße und Daniel Heller übergeben den Transporter-Schlüssel an die Tafel-Fahrer Uwe Arntt und Edgar Polley (von links).
Die Gastronomen Rainer vor der Straße und Daniel Heller übergeben den Transporter-Schlüssel an die Tafel-Fahrer Uwe Arntt und Edgar Polley (von links).
Silvio Kison

Umso mehr setzt die Tafel auf das Ehrenamt - und da klemmt es nach Worten von Koordinatorin Jacquelin Gottschalk. Gesucht würden Fahrer wie Helfer im Tafelladen. Es gehe nicht darum, dass jemand Tag für Tag zur Verfügung steht, machte sie deutlich. „Wir freuen uns auch über einen Einsatz einmal pro Woche.“ Davon könnten auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter profitieren: Der Einsatz weite den eigenen Horizont. „Es ist eben nicht selbstverständlich, dass es einem gut geht“, sei eine Erkenntnis, die sich bei dieser Tätigkeit immer wieder bestätige. „Und hinter jedem Leid gibt es eine Geschichte.“

Jacqueline Gottschalk koordiniert die Tafel Halle
Jacqueline Gottschalk koordiniert die Tafel Halle
(Foto: Annette Herold-Stolze)

Um so wichtiger ist es den Mitarbeitern, den Einkauf in der Tafel - die nur nutzen darf, wer Bedürftigkeit nachweist - etwas Supermarkt-Atmosphäre zu bieten, wenn auch zu viel niedrigeren Preisen. Aber Zucchini mit großen Druckstellen oder schimmelige Tomaten werden aussortiert, darauf legt Jacquelin Gottschalk Wert. „Hier gibt es nur, was wir selbst auch kaufen würden.“