Sturm in Sachsen-Anhalt Sturm in Sachsen-Anhalt: Handwerksmeister rettet was zu retten ist

Salzatal/Halle (Saale) - Irgendwann stellte Sven Marten, der Dachdecker, das Telefon einfach ab. „Es hatte keinen Sinn mehr“, sagt er. „Alle fünf Minuten hat ein neuer Kunde angerufen, dem die Ziegel vom Dach geflogen sind.“ Das Handy klingelte auch nachts: Vielleicht waren es 250 Anrufe, vielleicht 300. Seit der Minitornado am Dienstag reihenweise Dächer im Norden Halles abdeckte, hat der Dachdecker-Chef aus Salzatal kaum geschlafen.
Seit Dienstag ist der Inhaber der Firma Brukoma im Dauereinsatz in Lettin und Schiepzig. „Etwa 30 Dächer konnten wir bisher flicken. Priorität hatten die großen Schäden.“ Marten und seine drei Angestellten fuhren raus zum Lettiner Reiterhof Schurig, dort durchschlug ein Baum die Reiterhalle. „Spannbeton hält eigentlich richtig was aus“, sagt der Dachdeckermeister. Ja, eigentlich. Mit der Wucht dieses Sturms hatte am Dienstag niemand gerechnet.
Während Marten seit Dienstag zwölf Stunden täglich auf fremden Dächern schuftet, bleibt sein eigenes Haus von Trümmern bedeckt. Der Sturm hat ihn hart erwischt. Sein Firmengelände liegt in Salzatal, das Haus ist gleichzeitig der Wohnsitz des 39-Jährigen und dessen Familie. „300 Quadratmeter Dachfläche wurden weggerissen“, sagt er. „Die Lagerüberdachung ist weg.“ Der Schaden? Vielleicht 60.000 Euro. Dennoch hilft er in der Nachbarschaft, deckt die Dächer notdürftig mit Planen und Folien ab, hängt Ziegeldächer wieder zu. Denn Regenschäden können zum zweiten Unglück nach dem Sturm werden. „Wir lassen unser eigenes Zeug erst mal liegen.“
Halles Dachdecker-Firmen ertrinken in diesen Tagen in Aufträgen. Handwerkskammer-Präsident Thomas Keindorf konstatiert, „das Volumen der entstandenen Schäden ist größer, um es allein mit dem ortsansässigen Handwerk beheben zu können“. Das heißt zwangsläufig: Betroffene mit kleineren Dachschäden müssen sich schlimmstenfalls hinten anstellen. Denn hinzu kommt, dass Dachdeckerarbeiten in diesen windigen Tagen gefährlich bleiben, nur mühsam vorangehen.
„Wer bei dem stürmischen Wetter mit Leitern oder Drehleitern arbeitet, ist selbst Schuld“, sagt Marten. Einige Firmen mussten unverrichteter Dinge von den Baustellen abziehen, etwa im Lettiner Sorbenweg: zu windig. „Diese Vorsicht ist verständlich“, sagt Dachdeckermeister Marten. „Wenn Sie mit der Plane in der Hand von einer Windböe erfasst werden, sehen Sie, was die mit Ihnen macht.“ So blieben einige Dächer offene Wunden - und Einfallstore für Regengüsse.
Am Donnerstag stürzte ein Dachdecker nahe dem Leipziger Turm in Halle fast zehn Meter in die Tiefe. Das bestätigt Marten, wenn er sagt: „Wir müssen schauen, dass wir bei der hohen Belastung konzentriert bleiben bei der Arbeit. Nach zwölf Stunden ist der Körper am Ende.“ Und dann bleibt ihm ja noch die Baustelle zu Hause. „Wir haben bereits Arbeit bis zum Jahresende.“ (mz)