50 Straßenschilder überklebtStraßenschilder überklebt: NSU-Prozess wirkt bis nach Halle

Halle (Saale) - Die Willy-Lohmann-Straße gibt es nicht mehr. Verwundert bleibt eine Frau mit ihrem Rollator an der Kreuzung zur Ludwig-Wucherer-Straße stehen und blickt aufs Straßenschild. Zur Pauluskirche führt nun die „T.-Boulgarides-Str.“, wie das überklebte Schild verrät.
Über Nacht haben linke Aktivisten diese und mehrere Dutzend anderer Straßen „umbenannt“. Mit einer täuschend echten weißen Schrift auf blauem Grund überklebten sie die Schilder mit den Namen von August Bebel, Joseph Victor von Scheffel oder Ludwig Uhland mit türkischen und griechischen Namen.
Mehrere Straßen in Halle nach NSU-Opfern „umbenannt“
Es sind die jener Opfer, die dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zum Opfer fielen. Theodores Boulgarides etwa wurde am 15. Juni 2005 in München ermordet. Fünf mutmaßlichen Mitgliedern der Terrorzelle, darunter Beate Zschäpe, ist an diesem Mittwoch das Urteil verkündet worden.
Für 21 Uhr wird in Halle am Mittwoch eine Demonstration unter dem Motto „Kein Schlussstrich“ mit Start auf dem Marktplatz angekündigt.
Linke Aktivisten beklebten deutschlandweit Straßen
Doch das ist nicht die einzige Aktion der Aktivisten in Halle. Am Dienstagmorgen verschickt die „Interventionistische Linke“ (IL), nach eigenen Angaben ein „Zusammenschluss linksradikaler Gruppen und Menschen“, ein Bekennerschreiben: „Aktivist*innen“ der IL hätten in über 20 Städten mehr als 200 Straßen umbenannt und mit Namen der Opfer des NSU versehen.
Man wolle damit das Gedenken an sie in den Mittelpunkt rücken. „Für die Umbenennungen wurden bevorzugt Straßen ausgesucht, die NS-belastete Namen trugen und deren Umbenennung längst überfällig war“, heißt es weiter in dem Schreiben, das an verschiedene Medien ging.
Unklar bleibt, warum auch der August-Bebel-Platz „umbenannt“ wurde. Bebel gilt als einer der Väter der Sozialdemokratie und erhielt den Spitznamen „Arbeiter-Kaiser“.
Geteilte Meinungen unter Passanten und Anwohnern
Gegenüber der MZ verurteilen einige Passanten die Aktion am Dienstag. So wie Matthias Frede. Es sei zwar schrecklich, dass die Morde geschehen seien und dass das Verfahren nun schon so lange dauere. „Aber das ist keine gelungene Aktion. Das führt zu Desorientierung, weil Fremde die Straßen nicht mehr finden können. Und dadurch ändert sich doch nichts am Rechtsverhalten“, meint er. Das sieht auch Elsbeth Sintara so. „Ich finde das nicht gut. Man kann das doch nicht einfach bekleben, da müssten die Bürger doch zustimmen.“
Zuspruch erhält die Aktion bei Theresa Donner, die den Buchladen „Heiter bis wolkig“ in der Luwu/Ecke Viktor-Scheffel-Straße, jetzt „Halit-Yozgat-Allee“, führt. „Ich finde die Aktion schon gut. Ja, es ist Sachbeschädigung, aber es geht um eine wichtige Sache.“ Sie unterstütze die Demo an diesem Mittwoch. Gegenüber von ihrem Laden wollen die Veranstalter einen Film auf eine Hauswand projizieren, sie stellt dafür Strom zur Verfügung.
Demo zum NSU-Urteil geht bis ein Uhr nachts
Die geplanten Vorführungen sind laut Polizei der Grund, dass die Demo um 21 Uhr beginnt. Das Projizieren der Filme könne nur bei Dunkelheit erfolgen. „Insbesondere aufgrund dieser späten Veranstaltungszeit haben die Anmelder zugestimmt, begleitende Beschallungen auf geringstmögliche Lautstärke zu beschränken und so Lärmbelästigungen für Anwohner weitestgehend zu vermeiden“, so die Polizei. Angemeldet seien 150 Teilnehmer.
Straßenschilder überklebt: Stadt hat Anzeige erstattet
Die Stadt hat unterdessen Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet, wie Stadtsprecher Drago Bock sagte. Es seien rund 50 Schilder überklebt worden, die wegen einer starken Haftung des Klebers in einer Werkstatt gereinigt werden müssten. Die Kosten sollen sich auf rund 1.000 Euro belaufen. Noch am Dienstag demontierte die Stadt die Schilder, am Donnerstag sollen sie wieder hängen. (mz)