Stillstand an der Scheibe Stillstand an der Scheibe: Warum sich die Sanierungsarbeiten am Gebäude verzögern

Halle (Saale) - Die Scheibe A in Neustadt ist nur noch ein Gerippe: entkernt, entrümpelt. Und menschenleer, wie seit 20 Jahren. Eigentlich sollten die Sanierungsarbeiten bereits im April - so eine frühere Aussage der Bauherren - beginnen. Doch davon ist nichts zu sehen.
Sanierung: Stadt hat Änderungswünsche, die von ursprünglichen Vereinbarungen abweichen
Im Januar 2018 war die Welt noch in Ordnung: Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) traf sich damals mit Vertretern der israelischen Intown-Gruppe, die gerade die Scheibe A für rund eine Million Euro gekauft hatte. Der Plan: Intown saniert die marode Scheibe und vermietet sie mit einer Laufzeit von 30 Jahren an die Stadt. Der Umzug ist vertraglich zum 1. Januar 2021 geplant.
Die MZ fragt bei Robert Döring, Pressesprecher der Investoren - die zwischenzeitlich den Namen ihres Unternehmens von Intown zu Vivion gewechselt haben -, und erfährt Überraschendendes: „Derzeit befinden wir uns in Gesprächen mit der Stadtverwaltung, da wir gegenüber der Situation des Mietvertragsabschlusses Ergänzungswünsche der Stadt an das Mietobjekt haben.“ Die Stadt hat also Änderungswünsche, die von den ursprünglichen Vereinbarungen abweichen, sagt Döring damit.
Das Hochhaus „Scheibe A“ wurde 1972 gebaut und bis 1998 als Studentenwohnheim genutzt. Seitdem ist das Gebäude leer. Die 18 Geschosse bieten eine Fläche von rund 12.000 Quadratmetern, die etwa 1000 Menschen Platz bot.
Die vier weiteren Hochhausscheiben B,C,D, und E wurden ebenfalls in den 1970er Jahren erbaut und wurden als Arbeiterwohnheime genutzt. Über vier Fahrstühle und zwei Treppenhäuser konnte man in die 18 Stockwerke gelangen. Alle fünf Häuser haben dieselben Maße: 59 Meter Länge und 16 Meter Breite. Gebaut sind sie als Monolithen, also aus einem Stück um einen Kern herum. Lediglich die Außenwände bestehen aus Fertigteilen. Derzeit wird nur Scheibe D genutzt, in der unter anderem das Jobcenter untergebracht ist.
Stadt kontert: Sie hat „keine Ergänzungswünsche"
Und damit Vivion den zusätzlichen Anforderungen der Stadt entsprechen könne, müssten die Gespräche abgeschlossen sein, damit entsprechende Anforderungen planerisch ergänzt und bautechnisch umgesetzt werden können, erläutert Döring. Er betont zudem: „Am Zeitplan bis zu Übergabe der sanierten Scheibe A an die Stadt halten wir weiterhin fest.“ Jedoch: Zu Einzelheiten der laufenden Gespräche könne er nichts sagen.
Die Mitteldeutsche Zeitung fragt bei der Stadtverwaltung nach: Welche Ergänzungswünsche hat die Stadt denn? „Die Stadt hat keine Ergänzungswünsche. Sie hat einen wirksamen, beidseitig unterzeichneten Mietvertrag ab dem 01.01.2021 mit konkreter Baubeschreibung. Die Umsetzung der Baumaßnahme obliegt allein dem Eigentümer“, teilt Pressesprecher Drago Bock knapp mit. „Die Stadt erwartet strikte Vertragserfüllung“, heißt es weiter in der kurzen Antwort.
Verzögerung in der Sanierung habe der Bauträger der Stadt nicht mitgeteilt
In einer weiteren Nachfrage bestätigt Döring „laufende Gespräche“. Es gibt also doch Gespräche? Die Stadtverwaltung blockt ab: „Die Stadt hat sich klar positioniert und hat dem nichts hinzuzufügen“, so Stadtsprecher Drago Bock. Rechtliche Hindernisse scheinen nicht das Problem zu sein: Die Stadt bestätigt, dass die Baugenehmigung im September 2018 erteilt worden sei.
Verzögerungen habe der Bauträger der Stadt nicht mitgeteilt. Aber was ist vertraglich geregelt, wenn die Investoren doch in Verzug geraten und der Umzug der Stadtverwaltung nicht zum 1. Januar 2021 über die Bühne gehen kann? Auf diese Frage der MZ antwortet Pressesprecher Drago Bock: „An Spekulationen beteiligt sich die Stadt nicht.“
Stadt an Vereinbarung mit 30 Jahre Mietvertrag gebunden
Gibt es eine Eiszeit zwischen Investoren und der Stadtspitze? Eine freundliche Stimmung ist aus den Antworten der Stadt nicht zu entnehmen. „Die Stadt erwartet strikte Vertragserfüllung“: Schließlich ist geplant, mit dem Umzug von rund 450 Mitarbeitern der Stadtverwaltung, die bislang auf zahlreiche Außenstellen verteilt sind, innerhalb der nächsten Jahre 48 Millionen Euro einzusparen.
Denn dann könnten teilweise sanierungsbedürftige Standorte aufgegeben werden und die Zahl von derzeit 26 auf 17 verringert werden. So zumindest beurteilte ein Gutachten die Lage. In einem Bürgerentscheid 2017 ließen sich 57 Prozent der Hallenser für diese Idee begeistern und stimmen zu: Die Stadt soll für das Hochhaus einen Mietvertrag über 30 Jahre abschließen und eine Miete von 9,90 Euro pro Quadratmeter zahlen. Daran ist die Stadt nun gebunden. (mz)