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Steintor-Campus Steintor-Campus: Pläne sind auf Kante genäht

Von Günter Kowa 08.03.2012, 18:11

Halle (Saale)/MZ. - Als im September 2010 die Landesregierung den Bau des Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Zentrums (GSZ) der Uni Halle nach einem Jahrzehnt zäher Debatten auf den Weg brachte, war das für Rektor Udo Sträter eine "gute Nachricht". Jedoch ein "bitterer Beigeschmack" blieb ihm: Einsparungen strichen ein Fünftel der Fläche der Bibliothek. Das deutet an, womit der "Steintor-Campus" genannte künftige geisteswissenschaftliche Pol der Universität zu kämpfen hat: den Vorrang des Etats über das Konzept.

Die Bibliothek zum Beispiel. Dieser "Wissensspeicher" im Lern- und Forschungskolleg erfasst die sieben Zweigbibliotheken der zusammengeführten Institute und wird mit Platz für eine Million Bände um 200 000 zu klein sein. Weitere 100 000 bleiben draußen, um Platz für Neuzugänge vorzuhalten. Verzichtbare Dubletten werden aussortiert, doch Mitarbeiter schätzen ihre Zahl auf allenfalls 50 000 bis 70 000. Viele Bücher landen damit wohl fernab in einem Außenlager. Das erschwert den Leihverkehr und die Zugänglichkeit. Und "Freihand" aufgestellt werden, so heißt es, bevorzugt Bücher jüngerer Jahrgänge. Nach fünf bis sieben Jahren, so sagen Mitarbeiter der Bibliothek, werden weitere Bestände ins Magazin wandern.

Wohl sieht der Bebauungsplan Flächen für zusätzliche Bauten vor, nicht nur für ein Magazin in Verbindung mit der Bibliothek, sondern auch für zusätzliche Institutsräume. Doch die Planungen sind knapp auf Kante genäht. Studentischer Protest regte sich über den Mangel an Räumen für Fachschaften und Gruppenarbeit. Immerhin, der "vertrauensvolle Dialog" mit der Uni-Leitung, den Joachim Langner, studentisches Mitglied im Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät I ausgemacht hat, führte zu großem Entgegenkommen: Die Universität will eines der historischen Gebäude auf dem Gelände in Eigenregie für diese Zwecke umbauen.

Doch Unruhe bleibt über die Zahl der Leseplätze in der Bibliothek. Ob 148 (bei jetzt 5 000 Studenten in den Geisteswissenschaften) dauerhaft zu wenig sind, hängt davon ab, wie man demografische Entwicklungen einschätzt. Der Zustrom an Abiturienten ist derzeit hoch. Kurioserweise wollen weder Studentenvertreter noch Uni-Kanzler Martin Hecht - der vorrechnet, wie viele zusätzliche Leseplätze in noch planungs-offenen Häusern des Campus zu schaffen wären, - an künftige Rückgänge glauben. Der Soziologe Peer Pasternak, Geschäftsführer des Wittenberger Wissenschaftszentrums Sachsen-Anhalt dagegen ist skeptisch, ob die Uni Halle jährlich die 5 000 Studenten anlocken kann, die es bräuchte, um das gegenwärtige Niveau von rund 20 000 zu halten.

Der Sparkurs könnte aus dieser Sicht gerechtfertigt, der Steintor-Campus alsbald eine Oase glücklicher Elitestudenten sein? Doch die Einschnitte treffen das Konzept nicht nur baulich. 24 Professuren stehen im Budget in Frage. "Die Grundausrichtung soll davon nicht berührt sein", sagt Hecht, doch Langner spricht von einem "Horrorszenario", von kleineren Fächern, die womöglich schließen, von immer weniger Dozenten pro Student. Beim federführenden Landesbetrieb Bau ist man entschlossen, die Investitionssumme von 52 Millionen Euro unbedingt einzuhalten. Dem Kostenargument sind manche Ideale bereits geopfert worden. Auf dem Areal der ehemaligen Agrarfakultät bleibt nach dem Abriss von Ställen, der Maschinenhalle und den Laborgebäuden nicht mehr viel vom Zusammenklang von Backsteinarchitektur und parkähnlichem Grün.

Der Neubau des Berliner Architekten Reiner Becker bemüht sich, die drohende Monotonie des 150 Meter langen Trakts durch gestaffelte und aufgelockerte Fassadengliederung zu vermeiden. Der weiße Putzbau riegelt das Gelände, wie schon seine Vorgänger, zur Straße ab. Dennoch kann die Stadt auf einen Gewinn an Urbanität hoffen, wenn nämlich die Steintorkreuzung aufgewertet wird. Eben dorthin lenkt sie jetzt ein städtebauliches Förderprogramm.