Stadtteil südliche Innenstadt Stadtteil südliche Innenstadt: Franckesche Stiftungen wirken vielfältig im Quartier

Halle Saale) - Schulen für alle Altersstufen, Kitas mit unterschiedlichem Konzept sowie pädagogische Einrichtungen: In den Franckeschen Stiftungen ist ein moderner Bildungskosmos entstanden, eng verbunden mit der Geschichte, die auf August Hermann Francke zurückgeht, der vor den Toren Glauchas ein pietistisches Sozial- und Bildungswerk geschaffen hatte.
Das was die Franckeschen Stiftungen heute ausmacht, ist ihrer Wiederbelebung zu verdanken, die 1990 mit der ersten Sitzung des Freundeskreises der Franckeschen Stiftungen einsetzte. Diese Entwicklung hat Thomas Müller-Bahlke, der seit 15 Jahre Direktor der Stiftungen und Honorarprofessor an der Uni Halle ist, in besonderer Weise miterlebt und mitgestaltet.
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„Ich sage immer, genetisch gesehen, beginnen meine Beziehungen zu den Franckeschen Stiftungen im Jahr 1927“, so Müller-Bahlke. Da sei sein Großvater als Pfarrer in die Franckeschen Stiftungen gekommen. Thomas Müller-Bahlke selbst wurde allerdings in Mexiko-Stadt geboren. Seine eigene Beziehung zur Schulstadt begann im Rahmen eines Forschungsstipendiums, das den jungen Historiker, der an der Göttinger Universität studiert hatte, in die USA führte. Dort forschte er zur Entstehung der Lutheranischen Kirche in Nordamerika. Die ist eng mit den Franckeschen Stiftungen verbunden, denn von hier aus brachte Heinrich Melchior Mühlenberg den halleschen Pietismus nach Amerika.
Schon vor dem Mauerfall kam Müller-Bahlke erstmals nach Halle
Schon vor dem Mauerfall kam Müller-Bahlke erstmals nach Halle. „Der völlig heruntergekommene Zustand der Stadt hat mich nachhaltig beeindruckt. Was für eine Tristesse auch in den Franckeschen Stiftungen“, erinnert er sich. Doch da war die Begegnung mit dem Archivar Jürgen Storz, in dem völlig ruinösen Büro in Haus 5 der Stiftungen (Storz trug dort einen Bauhelm). „Ich kam in ein Kämmerlein vollgestopft mit Handschriften über Handschriften.“
Die Wende 1989 erlebte der junge Wissenschaftler als Pendler zwischen Göttingen und Halle. Als sich 1990 der Freundeskreis der Franckeschen Stiftungen gründete, war er mit dabei und überlegte nicht lange, als Paul Raabe, der Initiator der Rettung der Franckeschen Stiftungen, ihn als Archivar ganz nach Halle holte.
Zehn Jahre leitete Müller-Bahlke das Archiv der Franckeschen Stiftungen
Zehn Jahre leitete er das Archiv. Tagsüber ordnete er es neu und brachte wissenschaftliche Forschungen auf den Weg. „Abends schlich ich mit der Taschenlampe durchs Gelände, durch Keller und Dachböden und entdeckte Schätze wie Palmblatthandschriften, halboffene Schränke der Kunst- und Naturalienkammer und Feuerwehrschränke, in denen das ganze Missions-Archiv verborgen war.“ Eine Wohnung bekam er damals im Langen Haus in ehemaligen Wohnheimräumen. „Wir hatten sechs Toiletten, sechs Waschbecken und mehrere Kachelöfen“, beschreibt er. Kohleöfen – Braunkohleberge lagen im Lindenhof - kannte er zuvor nur aus Filmen.
2001 widmete sich Müller-Bahlke wieder der Forschung in Göttingen, kam aber 2003 ganz zurück nach Halle und übernahm den Direktor-Posten, der neu zu besetzen war. Nach Ausscheiden Raabes war der zunächst an Jan-Hendrik Olbertz gegangen und - als dieser Kultusminister wurde - als Interimslösung an Helmut Obst, den langjährigen Vizechef des Freundeskreises der Franckeschen Stiftungen und Theologieprofessor. Damals war etwa die Hälfte der Stiftungen wieder aufgebaut. „Heute kann ich mit Stolz auf die Luftaufnahme der Stiftungen von 2016 schauen. Nicht nur Gebäude sind weitgehend in Ordnung gebracht, sondern mit Leben gefüllt ganz im Sinne Franckes. 4.000 Leute sind hier täglich auf dem Gelände“, sagt Müller-Bahlke.
Einrichtungen der Franckeschen Stiftungen sind ein Brückenschlag in das Quartier
Auch inhaltlich hat er neue Schwerpunkte gesetzt und die internationalen Verbindungen etwa zu den USA und Russland vorangebracht, es gibt ein Forschungsprojekt mit Polen und dem Ziegenbalg-Museum in Indien. Auch die von Raabe begonnene Arbeit im Sozialen wurde erweitert. Es kamen Einrichtungen hinzu wie das Haus der Generationen, das Familienkompetenzzentrum, der Pflanzgarten, der Sportverein und kürzlich der Jugendclub. Vor allem diese Einrichtungen sind ein Brückenschlag in das Quartier, denn genutzt würden diese vor allem von Menschen aus der südlichen Innenstadt.
Die Bautätigkeit wird auch in den nächsten Jahren noch weitergehen: Zwei historische Feldscheunen und die historische Druckerei stehen inzwischen kurz vor der Sanierung. Zudem stehen Bestandssanierungen an, an den Gebäuden, die nach der Wende als erstes vor dem Verfall gerettet worden sind. „Solange in den Franckeschen Stiftung gebaut werden kann, geht es ihnen gut. Es ist wohl die älteste Baustelle der Stadt“, meint Thomas Müller-Bahlkes Meinung. (mz)