Stadtteil Ortslage Ammendorf/Beesen Stadtteil Ortslage Ammendorf/Beesen: Ein Stadtviertel zwischen den Zeiten

Halle (Saale) - Auf einem Hügel steht, von grünem Wuchs umringt, St. Katharinen. Die Dorfkirche ist auf der Merseburger Straße in Fahrtrichtung Süden schon ab der Rosengartenbrücke immer in der Mitte zu sehen - als Wahrzeichen für das Viertel. Und ein bisschen so, als würde sie trotzen wollen: gegen Ammendorf als einen Ort, der wie ein bloßes Rauschen wirkt. Einen Ort, der am Rand mal eben unscheinbar vorbeizieht und jenseits der großen Verkehrsader als blinder Fleck erscheint.
Die Ortslage im Stadtteil Ammendorf liegt nördlich der Weißen Elster. Früher waren Ammendorf und Beesen eigenständige Dörfer.
Dabei ist Ammendorf gefüllt mit Geschichten und Entdeckungen - schon um die Kirche selbst. Durchs Grün, nur wenige Schritte von den Mauern entfernt, soll unter einem jahrhundertealten Maulbeerbaum die „lahme Lehne“ liegen, jenes schimpfende Ammendorfer Original mit stets giftiger Zunge, das vor niemandem Halt gemacht haben soll. Ein Stück weiter befindet sich die Grabstelle von Eduard Dittrich, Ehrenbürger von Ammendorf und Gemeindevorsteher bis 1905.
Ortslage Ammendorf/Beesen als Viertel der vielen Gewänder
Die Ortslage Ammendorf/Beesen, das ist auch ein Viertel der vielen Gewänder. mal spröde-bröckelnd wie die alte Schrotmühle Hohnstock, wo Otto Möhwald und seine Frau Gertraud einst ihr Atelier eingerichtet hatten, mal im Unternehmen, das in der Tradition des Waggonbaus Anknüpfungspunkte sucht. Aber auch vollgepackt mit Elan und Ideen: Ira Jung und ihr Lebensgefährte Markus Fischer haben im Herbst 2014 in einem ausgedienten Gebäude in der Straße der Waggonbauer die Kammeroper Halle eröffnet.
„Dort geht es über die kleine Treppe hin,“ erklärt eine Passantin, die ihren Hund Am Sommerbad spazieren führt. Der kurze Weg über die Treppe zur Kammeroper ist wie ein Wandeln zwischen den Zeiten: Links ist aus der ehemaligen Poliklinik der Waggonbauer (dem späterem Ärztehaus) der Adria-Grill mit Gästehaus geworden. Rechts werden, wo vor Jahren noch an der Zapfsäule gehalten wurde, nach einer Umgestaltung Würstchen verkauft.
Und zwischendrin geht es zur Kammeroper
Und zwischendrin geht es zur Kammeroper, in einer Umgebung, die so passend für das Viertel scheint: von außen ein langgezogenes, blasses Gebäude, in dem zuletzt Büros untergebracht gewesen waren - und innen ein ambitioniertes Projekt, das die Nachbarschaft zusammenschweißt. Mindestens ein Mal pro Monat findet hier ein kostenloses Konzert statt. Mit selbst gebautem Bühnenbild, wechselnden Kostümen und Stuhlreihen für die Musikliebhaber, die nicht mehr nur aus Ammendorf kommen, sondern auch aus Nietleben, Lieskau oder dem Paulusviertel.
Das Projekt der beiden freischaffenden Musiker Ira Jung und Markus Fischer hat sich herumgesprochen, zuletzt sind bis zu 100 Gäste gekommen. Die Sängerin und Lehrbeauftragte am Institut für Musikpädagogik der Uni kam 2003 zum Studium aus ihrer Heimat Korea nach Deutschland und vor einigen Jahren von Magdeburg nach Halle. „Das Viertel fühlt sich an wie meine Heimat. Ich habe Ammendorf von Anfang an als sehr entspannt wahrgenommen. Und alle helfen einander.“
Koreanisch-deutscher Gottesdienst
Wenn es in der Kammeroper ein Kaffeekonzert gibt, bringen die Nachbarn selbst gebackenen Kuchen mit. In den Räumen findet außerdem ein koreanisch-deutscher Gottesdienst statt. Mit dabei sind immer auch Heinz und Regina Joschka, die Ira Jung und Markus Fischer in der Gemeinschaft unterstützen, wo gerade Hilfe gebraucht wird.
Dort, wo vieles zur Vergangenheit geworden war, helfen Bewohner des Stadtviertels zu bewahren und zu erneuern, ohne die Geschichte aus dem Blick zu verlieren. Alte Fabrikbauten, Villen, Mühlen und Schmieden werden teils über Jahre hinweg restauriert oder in Stand gehalten. Die Wassermühle Ammendorf ist zum Sportzentrum geworden und der Gartenpavillon der Asphaltfabrik Hoppe und Roehmig wurde durch ein Unternehmen für Regeltechnik neu belebt.
Netzwerk Süd engagiert sich unter anderem für die Pflege der Grünfläche
Das Netzwerk Süd engagiert sich unter anderem für die Pflege der Grünfläche am Florian-Geyer-Platz und die freiwillige Feuerwehr leistet vor allem auch mit ihrer Jugendgruppe viel ehrenamtliche Unterstützung.
An vielen Ecken schwingt aber auch das Unwiederbringliche mit. Das ehemalige Sommerbad ist seit Jahren geschlossen. Die Blütezeiten des Waggonbaus sind nur noch Erinnerung.
Trotzdem ist die Heimatverbundenheit groß und an vielen Stellen überlagern sich Vergangenheit und Gegenwart - oder sie sind ganz nah beieinander, wie in Richtung Beesen. Dörflich geht es dort zu. Nur die Kirche St. Elisabeth ragt auch bis über die Hauptstraße in Richtung Silberhöhe ins Blickfeld hervor. Und während der ehemalige Gasthof Schunke seine einstige Nutzung nur noch vage erahnen lässt, gibt es wenige Meter weiter wieder das Neue und Leben im dörflichen Charme: Kinder kreuzen den Weg zur Waldorfschule und noch lebhafter ist es im Spaßbad Maya Mare. Auch hier befindet sich ein Ort unzähliger Geschichten. Und die erzählen die Ammendorfer immer noch am besten selbst. (mz)