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Stadtteil Klaustorvorstadt Stadtteil Klaustorvorstadt: Halles Stadtteil auf dem Schwemmland

Von Katja Pausch 07.11.2017, 06:00
Henryk Löhr gehört zum Verein, der die Schwemme-Brauerei vor dem Verfall rettet.
Henryk Löhr gehört zum Verein, der die Schwemme-Brauerei vor dem Verfall rettet. Katja Pausch

Halle (Saale) - Genau genommen ist die Klaustorvorstadt eine Insel. Das Areal, das erst im vergangenen Jahr durch die Neuzuordnung von Stadtteilen seinen Namen bekommen hat, wird von zwei Saalearmen umflossen, ja regelrecht umarmt. Da ist zum einen der Mühlgraben, der die östliche Grenze bildet, während im Westen die Saale dahinzieht. Dazwischen liegt die Klaustorvorstadt, die auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken kann. Und die ist dank vieler historischer Gebäude, von denen mehrere durch couragierte Hallenser gerettet worden sind, anschaulich und nacherlebbar.

Wer sich dorthin begibt, wandelt auf den Spuren spannender hallescher Geschichte. Zugleich ist die Klaustorvorstadt zunehmend ein Viertel für junge Leute und Studenten - viele von ihnen trifft man vor allem im Sommer am „Sonnendeck“ oder auf der Würfelwiese. Ihren Namen hat die ehemalige Kohlwiese, die im Mittelalter den Mönchen des Klosters Neuwerk als Gemüsegarten diente, von der im 17. Jahrhundert zunehmenden Beliebtheit als Fest- und Spielwiese.

Älterer Teil der Klaustorvorstadt liegt zwischen Klausbrücke und Schieferbrücke

Der ältere Teil der Klaustorvorstadt liegt zwischen Klausbrücke und Schieferbrücke an der heutigen Mansfelder Straße. Diese, praktisch die Hauptstraße der Vorstadt, heißt erst seit etwa 1890 so. Zuvor war dies die Klausthorstraße oder auch „Vorstadt Klausthor“. Das Tor wiederum befand sich direkt neben der Neuen Residenz und trennte Stadt und Umland.

Halle hat mehr als 60 Stadtteile, Viertel und Stadtquartiere. Wir stellen alle vor: hier die Klaustorvorstadt.

Beginnen wir unseren Spaziergang durch die Klaustorvorstadt, zu der es nur wenige historische Aufzeichnungen gibt, an der namensgebenden Klausbrücke. Sie ist eine der wichtigsten und ältesten Brücken der Stadt. Um 1170 zunächst als Hohe Brücke aus Holz gebaut, ermöglichte sie dem aufstrebenden Salzhandel und dem lebhaften Wagenverkehr den hochwasserfreien Übergang zur Saaleaue, die wegen regelmäßiger Überschwemmungen oft wochenlang unpassierbar war. 1576 durch Stein ersetzt, wurde sie 1842/43 aus Sandstein gebaut, dazu kamen 1864 Fußsteige aus Granit. Bis 1908 blieb die Brücke so, dann wurde sie auf das Doppelte verbreitert - und 2010 komplett erneuert.

Vielzahl von Gasthöfen zu Beginn des 18. Jahrhunderts

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstand entlang der wichtigen Ausfallstraße eine Vielzahl von Gasthöfen, die Kutschern, Händlern, Fuhrleuten und Pferden das Ausspannen und Rasten erlaubten. Ausspannhöfe wie die „Grüne Tanne“ - der heutige Erotik-Shop - und das „Goldene Herz“ gehören dazu. Letzteres war das älteste und größte Gasthaus seinerzeit.

In Betrieb genommen wurde es 1712 von Andreas Hertzberg, einem Ökonom aus Könnern. Dessen Name ist im Namen des Gasthauses verewigt. Prominente Gäste sollen sich hier aufgehalten haben: der Mediziner Friedrich Hoffmann, Erfinder der gleichnamigen Tropfen, Aufklärer Christian Wolff und gar Goethe. Der Dichter soll auf seiner Reise nach Berlin einen Zwischenstopp im „Goldenen Herz“ eingelegt haben. Ab 1990 war das Haus dem Verfall preisgegeben, 2001 begann sein neuer Besitzer mit der Restaurierung, und seitdem kann man im „Goldenen Herz“ wieder ausspannen - und speisen.

Neubau des Multimediazentrums direkt an der Saale

Direkt gegenüber erhebt sich der Neubau des Multimediazentrums direkt an der Saale. Das Existenzgründerzentrum für die Medien- und Kreativwirtschaft in Sachsen-Anhalt wurde 2007 errichtet - und wie alle Saale-Anlieger, vor allem im Robert-Franz-Ring, 2013 von der Jahrhundert-Flut getroffen.

Viele historische Gebäude findet der interessierte Spaziergänger in der Klaustorvorstadt: die Ronnebergsche Mühle (das ehemalige Weinkontor), die Neumühle mit ihren markanten Hochwassermarken, den ehemaligen Strohhof an der Spitze, heute komplett neu bebaut.

Schwemme-Brauerei ist eines der bedeutendsten Gebäude

Eines der bedeutendsten Gebäude der Klaustorvorstadt indes ist die alte Schwemme-Brauerei. Das 1718 von den Strohhof-Bewohnern errichtete Brauhaus und die zugehörige Straße tragen ihre Namen nach der ehemaligen Pferdeschwemme, in der die in den Ausspannhöfen ausruhenden Fuhrleute ihre Tiere säuberten und tränkten. Die Brauerei wurde ab 1859 auch als Gastwirtschaft genutzt. 1920 wurde das Brauhaus an die Freyberg-Brauerei verkauft - die Brautradition war damit beendet. Sechs Jahre später zog gar eine Heringszurichterei ein, nach 1945 dann verschiedene Werkstätten. Ab Anfang der 90er stand das Gebäude leer, verfiel zusehends, zudem zerstörte 2015 ein Brand große Teile.

Der 2016 gegründete Schwemme-Verein und weitere Partner wollen nun das wertvolle Baudenkmal vor dem endgültigen Verfall retten. „200 Tonnen Bauschutt haben unsere rund 30 Mitglieder bereits entsorgt“, so Vereinsmitglied Henryk Löhr. Zunächst wird Notsicherung betrieben, parallel dazu finden aber bereits vielfältige Kulturaktionen statt. Langfristig soll die Schwemme ein Ort der Begegnung werden. „Und vielleicht brauen wir bald auch wieder Bier in der Schwemme-Brauerei“, schaut Löhr in die Zukunft.