SPD in Halle stürzt ab SPD in Halle stürzt ab: Was raten die alten Genossen?

Halle (Saale) - Das waren noch Zeiten: In den 90er Jahren war die SPD Halle in der Landesregierung mit Sozialministerin Gerlinde Kuppe vertreten; von 2000 bis 2012 regierten nacheinander die beiden SPD-Oberbürgermeisterinnen Ingrid Häußler und Dagmar Szabados die Stadt.
Christel Riemann-Hanewinckel holte bei den Bundestagswahlen in den 1990er und 2000er Jahren stets das Direktmandat für Halle. Und das ist alles Geschichte: Die Wähler haben die Sozialdemokratie in Halle mit rund 14 Prozent der Zweitstimmen regelrecht abgewatscht. Was tun?
Karamba Diaby hat acht Prozent mehr Erststimmen bekommen als die SPD in Halle Zweitstimmen
Für Christel Riemann-Hanewinckel, die bis 2009 Bundestagsabgeordnete war, ist klar: „Karamba Diaby hat acht Prozent mehr Erststimmen bekommen als die SPD in Halle Zweitstimmen erhalten hat, weil er auf die Leute zugeht.“ Er sei deswegen ein gutes Vorbild, wenn es darum geht, wie die SPD wieder Boden in Halle gewinnen kann: mehr Einmischen, in Schulen und Vereinen mit Menschen reden.
„Die Hallenser müssen mehr mitgenommen werden“, sagt die 70-Jährige, die 1989 zu den Mitbegründerinnen der SDP und späteren SPD in der DDR gehörte und ab den 90ern Stadtvorsitzende in Halle war. „Bei mir hat das immer funktioniert - in Schulen berichten, was man als Politiker macht“, sagt sie. Auch die Stadtratsfraktion könnte mehr Gesicht zeigen. Etwa bei der Steuerungsgruppe „Fair Trade Town Halle“, die sich um gerechten Handel kümmert - der Titel der „Fair Trade Stadt“ war Halle 2015 verliehen worden. Riemann-Hanewinckel bedauert, dass sie das einzige SPD-Mitglied ist, das sich hierfür engagiert.
Ex-OB Häußler: Wir müssen versuchen, mit den Menschen zu sprechen
Ähnlich sieht das auch Ex-Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler. „Wir müssen versuchen, mit den Menschen zu sprechen und dürfen nicht warten, bis sie zu uns kommen.“ Bei vielen Veranstaltungen sei man in der SPD Halle unter sich, auch wenn es um Themen geht, die den Bürger bewegen. Ihre Erfahrung sei: Wenn sie als Vorsitzende der Bürgerstiftung Halle auftritt, die unabhängig und neutral ist, seien die Hallenser aufgeschlossen. Will sie als SPD-Mitglied mit Menschen in Kontakt kommen, sei das ein Problem.
„Es ist viel Kleinarbeit notwendig, damit die Menschen wieder das Gefühl bekommen, dass die SPD das wirklich interessiert und wir uns kümmern“, sagt Häußler. „Wir müssen das Vertrauen wieder erlangen“, ergänzt sie. Den Grund für den Vertrauensverlust sieht sie aber nicht in der konkreten Arbeit vor Ort, sondern vor allem darin, dass die SPD in der Großen Koalition bei Themen wie etwa Bildung mehr hätte erreichen müssen. „Die Menschen trauen der SPD nicht mehr zu, dass sie diese Dinge vernünftig in die Hand nimmt.“
14 Prozent ist eine Verbesserung „wenngleich auf niedrigem Niveau.“
Auch Rüdiger Fikentscher, seit 1990 SPD-Mitglied, früherer Fraktionsvorsitzender im Landtag und seit 2004 Stadtrat in Halle, hebt die Rolle von Karamba Diaby hervor. „Keinem anderen Politiker in Halle ist es bei der Bundestagswahl gelungen, acht Prozent mehr Erst- als Zweitstimmen zu holen.“ Das sei die persönliche Anerkennung von Diabys politischer Arbeit, meint Fikentscher.
Immerhin, so der 76-Jährige, haben die Sozialdemokraten im Vergleich zur Landtagswahl 2016 (in Halle 11,56 Prozent der Zweitstimmen) ein wenig aufgeholt. 14 Prozent sei eine Verbesserung „wenngleich auf niedrigem Niveau.“
Halle habe ein spezielles Problem: „Ein parteiloser Oberbürgermeister suggeriert, dass er unabhängig und objektiv ist und als wäre parteiabhängig zu sein etwas Schlechtes.“ Wenn es im Stadtrat Auseinandersetzungen gibt - die aus Fikentschers Sicht stattfinden müssen - komme schnell der Begriff des „Parteiengezänks“ auf. Seine Hoffnung liegt auf dem aktuellen Mitgliederzuwachs, den Martin Schulz dem Ortsverein beschert hat: Mit 500 Mitgliedern ist die SPD so stark wie noch nie in Halle. (mz)