Wie in San Francisco Sommersonnenwende in Halle: Wenn die Saalestadt wie San Francisco aussieht

Halle (Saale) - Glück gehabt. Anders kann man es nicht sagen an diesem späten Mittwochabend, als Punkt 21.33 Uhr die Sonne fast postkartenreif am Horizont verschwindet. Denn wie oft schon Sven Görsch und Alexander Schieberle „pünktlich“ zur Sommersonnenwende am oberen Ende der Ludwig-Wucherer-Straße mit ihren Kameras auf das perfekte Motiv gewartet haben, wissen beide selber nicht so genau.
Das perfekte Motiv - das ist der spektakuläre Sonnenuntergang über der vom Hallenser liebevoll Lu-Wu genannten Straße, direkt hinter dem Reileck. Im Idealfall versinkt der rote Feuerball genau über den glänzenden Straßenbahngleisen - und beschert der Händelstadt für wenige Momente das Glück des San-Francisco-Feelings.
Sommersonnenwende: Fotografen treffen sich an der Lu-Wu
Unzählige Fotografen haben schon versucht, das einzufangen - so wie eben Görsch und Schieberle, die beide weit über den Status „Laie“ oder „Hobby“ hinaus sind und sich an diesem Abend mal wieder an der Lu-Wu treffen - spontan, wie so oft. Denn „für die Fotografie, wie wir sie betreiben, ist das Wetter das A und O“, so Görsch, der als Ausgleich zum Acht-Stunden-Job als Trainee bei einer Versicherung in seiner Freizeit zur Kamera greift.
Sonnenuntergänge sind besonders spektakulär, wenn der Feuerball blutrot in den Horizont eintaucht. Wie es zu diesem Schauspiel kommt, erklärt Florian Engelmann vom Deutschen Wetterdienst in Leipzig. „Je mehr Staubpartikel und Aerosole sich in der unteren Atmosphäre befinden, desto wahrscheinlicher wird ein roter Sonnenuntergang“, sagt Engelmann. Normalerweise sei das Sonnenlicht weiß. Geht die Sonne unter, wird das Licht gebrochen. Dieser Filter schluckt die Farben, zum Schluss bleibt nur noch das Rot übrig. Schmutz in der Troposphäre (bis zwölf Kilometer Höhe) verstärkt diesen Effekt. Durch den aktuellen Wetterwechsel werde die Luft aber gesäubert, was die Fernsicht verbessere.
Und an diesem Abend verspricht der Wetterbericht einen fast wolkenfreien Himmel. Viel zeitlichen Spielraum für ein gelungenes Sunset-Bild von diesem Foto-Spot aus gibt es nicht: Ganze zehn Tage vor und zehn Tage nach dem 21. Juni ist das Zeitfenster geöffnet, an dem die Sonne so günstig steht. Regnerische Tage oder auch einfach nur ein bewölkter Himmel eingerechnet, bleiben nicht viele Möglichkeiten zum Fotografieren. Werden sie verpasst, ist erst im nächsten Jahr zum kalendarischen Sommeranfang wieder Gelegenheit für den außergewöhnlichen fotografischen „Schuss“.
Sommersonnenwende in Halle: „Evergreen“ als Startbasis
Wie zu jeder Lu-Wu-Foto-Session war auch an diesem Abend das „Evergreen“ an der Kreuzung, seit Jahren bei vielen Fotografen bevorzugte Startbasis, als Treffpunkt ausgemacht. Doch das ist voll - also geht’s ein paar Meter weiter abwärts. Viel Zeit für das bestellte Bier im Freisitz des „Hong Kong“ bleibt nicht, denn die Zeit ist kurz.
Görsch und Schieberle, die sich vor zwei Jahren über Facebook kennengelernt haben und seitdem oft gemeinsam auf Foto-Tour nicht nur in Halle gehen, schnappen ihre Kameras, während der freundliche Kellner ein Auge auf die Fototaschen hat. „Es ist ratsam, stets zu zweit auf die Straße zu gehen“, gibt Schieberle, der bei BMW in Leipzig „Achsen schraubt“, sich aber mit der Fotografie selbstständig machen will, einen Tipp.
Fotografieren in der Lu-Wu: Schienen dienen als führende Linien
Denn im Eifer des Fotografierens bemerke man die herannahende Straßenbahn nicht - „und man möchte doch die Bilder anschließend zu Hause betrachten und nicht woanders“. Die auf der Straße liegenden Schienen sind es jedoch, die das Motiv so sensationell machen. „Sie dienen wunderbar als führende Linien“, erklärt Schieberle. Er selbst wählt an diesem Abend Blende vier. „Das lässt die Schienen schön unscharf erscheinen“, sagt der 30-Jährige, während sein Foto-Freund Sven Görsch, 38, mit Blende acht die Struktur der Gleise besonders scharf hervortreten lässt.
Mit dem Ergebnis an diesem Abend, für den sich Görsch nach Feierabend von seiner Frau „frei genehmigt“ und extra noch mal vom heimatlichen Petersberg nach Halle begeben hat, sind die beiden Fotografen zufrieden. „Besser geht immer, aber wir haben das Motiv schon ziemlich gut im Kasten“, sagen sie. Immerhin sind sie ja auch schon seit Jahren auf der Jagd nach dem ultimativen Sunset-Motiv. Doch um das beste Foto geht es ihnen eigentlich gar nicht: „Wir fotografieren, weil’s Spaß macht“. (mz)
