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So viel Bauhaus steckt in Halle So viel Bauhaus steckt in Halle: Spektakuläre Häuser aus den Zwanzigern

Von Detlef Färber 19.04.2019, 13:00
Typisches Moderne-Haus aus den 1920er Jahren in Kröllwitz
Typisches Moderne-Haus aus den 1920er Jahren in Kröllwitz Silvio Kison

Halle (Saale) - Alles sollte neu, anders, lichter und besser werden. Die Aufbruchszeit begann vor hundert Jahren mit einem Zusammenbruch, dem Ende einer alten Zeit nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg und dem Ende der hiesigen Monarchie - und sorgte für einen signifikanten Wandel in nahezu allen Lebensbereichen.

Auch in der Architektur vollzog er sich ebenso radikal wie rasant: Mit reger Bautätigkeit, obwohl die Städte (anders als nach dem Zweiten Weltkrieg) unzerstört blieben. Und obwohl durch Inflation und Weltwirtschaftskrise in den Zwanzigern die Rahmenbedingungen für Investitionen äußerst schwierig waren. Und obwohl nach dem Bauboom der Gründerzeit mit großen, noch relativ neuen Wohnvierteln, neuen Schulen und Verwaltungsbauten bereits eine Modernisierungswelle die Städte nachhaltig verändert hatte - so auch die Stadt Halle.

Bauhaus in Halle: Vor allem in der Süd-Erweiterung eine neue Urbanität

Doch das Neue Bauen - mit dem Bauhaus, dessen Hundertjahrfeier derzeit begangen wird, als Inspirationsquelle und starkem Impuls - ließ nun die nächste Innovationswelle durch die Städte rollen und brachte für Halle vor allem in der Süd-Erweiterung eine neue Urbanität zum Vorschein, die ihren stärksten Ausdruck im Bauhaus-Viertel an der Vogelweide gefunden hat.

Doch Halles Mosaik der Moderne ist weitaus vielfältiger, als es dieses augenfälligste Beispiel ahnen lässt. Großartige Gebäude des Neuen Bauens, die heute noch das Stadtbild prägen, sind auf jeweils höchst unterschiedliche Weise auch Geschäftshäuser wie das einstige Kaufhaus Lewin (heute Thalia-Buchhaus), der Ratshof am Markt, das Straßenbahndepot in der Freiimfelder Straße, das einstige Umspannwerk am Hallmarkt, die kleine Tankstelle in der Merseburger Straße, das einstige Kino Capitol und wenige Meter weiter die katholische Kirche zur Heiligsten Dreieinigkeit, ja sogar das Wittekind, die Kröllwitzbrücke, die Pestalozzischule und andere Bauwerke mehr.

Architekten-Kreativität und Bauherren-Mut bei Wohnhäusern, Villen und Einfamilienhäusern

Doch die häufigsten und vielfältigsten Beispiele von Architekten-Kreativität und Bauherren-Mut sind natürlich unter Wohnhäusern, Villen und Einfamilienhäusern zu finden. Das in diesem Jubiläumsjahr besonders geschulte Auge wird in den meisten Stadtvierteln jene oft eckigen und streng gegliederten Bauten mit markanten Fenstern, langen, schmalen Lichtbändern und flachen Dächern entdecken - sowie mit anderen augenfälligen Merkmalen, die fürs Bauen der Moderne typisch, aber kaum je vollzählig vertreten waren.

Ein markantes Beispiel gerät Besuchern des Uni-Klinikums an der Ernst-Grube-Straße in den Blick: Die 1930 von den Architekten Julius Kallmeyer und Wilhelm Facilides erbaute Villa für den Unternehmer Bruno Paris, in der heute eine Pension unter anderem für Mitarbeiter der Klinik untergebracht ist. Typisch hier, wie bei anderen Bauten, ist die klare Strukturierung der Fassaden durch den Wechsel von Putz und Klinkersteinen, wie sie bei einem weiteren Haus weiter unten in der Ernst-Grube-Straße jedoch noch weitaus eindrucksvoller in Erscheinung tritt.

Expressionismus bringt weniger eckige Formen ins Spiel

Einer der für das Bauen der zwanziger Jahre prägenden Einflüsse war künstlerischer Natur, kommt aus dem Expressionismus und bringt weniger eckige Formen ins Spiel: So in dem nun als Wohnhaus fungierenden einstigen Bürohaus in der Forsterstraße, das sich schon 1921 der hallesche Scherzartikelexporteur Paul Edgar Sernau von den Architekten Martin Knauthe und Alfred Gellhorn hatte entwerfen lassen. Und „nur“ eine, freilich spektakuläre Überformung im Sinne des Expressionismus (1928) ist die 22 Jahre zuvor als neugotisches Burschenschaftshaus errichtete „Bierburg“ am Jägerberg.

Neben ihrem erfreulichen Beitrag für die Optik ihrer Viertel sind die Häuser dieser Zeit auch Ausdruck des Aufstiegs einer neuen Kultur, die den Wunsch nach einer moderneren, technik-freundlicheren und lässigeren Wohnkultur nach sich zog. (mz)

Einstiges Geschäfts- und jetziges Wohnhaus in der Forsterstraße
Einstiges Geschäfts- und jetziges Wohnhaus in der Forsterstraße
Silvio Kison
Die ehemalige „Bierburg“ am Jägerberg, expressionistisch überformt.
Die ehemalige „Bierburg“ am Jägerberg, expressionistisch überformt.
Silvio Kison
Villa am Klinikum in Kröllwitz
Villa am Klinikum in Kröllwitz
Silvio Kison