Silicon Valley Silicon Valley: Hallenser feiert mit den großen Jungs
Halle (Saale)/MZ. - Der Mann kam ihm mehr als nur ein bisschen bekannt vor. Stefan Groschupf musste nicht lange überlegen, wer das war, der da am kalten Büfett neben ihm nach Leckereien langte. Colin Powell, früher Außenminister der USA und inzwischen einer der Partner der kalifornischen Risikokapital-Firma Kleiner Perkins, lächelte freundlich zurück. "Wie geht's, fragte er", erinnert sich Groschupf, "und wir haben ein wenig geplaudert:"
Der Hallenser kennt das schon. Seit er vor fünf Jahren beschloss, seinen Kunden hinterherzuziehen und ins Silicon Valley zu gehen, hat der 33-Jährige einen amerikanischen Traum erlebt. Während seine Idee, mit einer eigenen Software-Lösung gigantische Datenbestände analysierbar zu machen, in Deutschland nur mitleidig belächelt wurde, empfing Kalifornien ihn mit offenen Armen. Schnell und ganz von allein meldete sich ein Risikofinanzierer, der anbot, Geld in Datameer zu stecken. "Einzige Bedingung war, dass wir eine US-Firma werden", lächelt Groschupf.
Ein Fünfer im Lotto. Aus Datameer, der deutschen GmbH mit US-Tochter, wird eine amerikanische Inc. mit Tochterfirma in Halle. Der Beginn einer sagenhaften Erfolgsgeschichte: Die in Halle entwickelte Software DAS ist inzwischen für Fachzeitschriften ein "Trend-Setting Product". Dow Jones sieht in der Firma ein "Start-Up to Watch" und Internet-Experten erklärten die Hallenser zu einem der vielversprechendsten Unternehmen der boomenden Cloud-Branche. Im Mai investieren dann sogar die Finanzexperten von Kleiner Perkins, die zuvor schon Google, Amazon und Facebook groß gemacht hatten, mehr als neun Millionen Dollar in Datameer. Zum ersten Mal überhaupt kommt damit eine Firma mit deutschen Wurzeln in den Genuss, Geld von den ganz großen Jungs der Hightech-Branche zu erhalten.
Stefan Groschupf, ein Mann mit dunklem Haar, kantiger Brille und vom Jetlag müden Augen, hat allerdings nie daran gezweifelt, dass die Software, die er und seine Leute in einem leicht heruntergekommenen Mietshaus in der Mansfelder Straße programmierten, eines Tages erfolgreich sein würde. Dabei waren die Hallenser eher zufällig auf die Möglichkeiten gestoßen, die das frei verfügbare Programm Hadoop eröffnet. Diese sogenannte Framework, mit dem auch die Google-Serverfarmen arbeiten, erlaubt es, wirklich sehr, sehr große Datenmengen effektiv und schnell zu durchsuchen.
"Eigentlich haben wir anfangs versucht, daraus einen Google-Konkurrenten zu bauen." Bald aber stellt sich heraus, dass Google einfach zu mächtig ist. "Um gegen sie anzutreten, hätten wir riesige Serverfarmen gebraucht." Doch nichts war vergebens: Schnell wird klar, dass viele Firmen und Behörden genau ein solches Programm brauchen, um ihre internen Datenbestände zu analysieren.
Eine Chance, die Groschupf seitdem jeden Tag zwölf oder sogar 14 Stunden lang beim Schopf packt. Schon mit 19, direkt nach dem Abitur, hatte der ehemalige Schülerrat und Herausgeber eines Hiphop-Magazins sein erstes Unternehmen gegründet. "Eigentlich bloß, weil meine Zivildienststelle noch nicht frei war." Die Uni-Bibliothek in Halle ließ sich von ihm einen Suchkatalog erstellen, andere wollten Webseiten oder CD-Roms gebastelt haben.
"Ich hatte immer ein Faible für Mensch-Maschine-Schnittstellen", beschreibt der ehemalige Herder-Schüler, "und dadurch bin ich immer weiter auf diese Hochtechnologie-Schiene gerutscht." Tagsüber programmiert er, nachts liest er Fachzeitschriften. Statt zu studieren, geht er zum Existenzgründerlehrgang. Mit 19 sei man verrückt genug, sich alles zuzutrauen, sagt Groschupf heute. Seine Eltern hätten zwar mit den Zähnen geknirscht. "Aber die wussten genau, dass ein Jurastudium nichts für mich gewesen wäre." Zu viel Unruhe hat er in sich, zu viele "Visionen", wie er sagt. Stefan Groschupf steht morgens mit dem Laptop auf und legt sich abends mit einem Blick auf neue Mails schlafen. Die Tage sind lang, die Verantwortung ist groß. Groschupf ist ein Mann, der Gelegenheiten erkennt. Früh sieht er im sogenannten Data Mining einen gewaltigen neuen Markt. Und er hat die Idee, das bei Yahoo und Ebay im Hintergrund laufende Hadoop mit einem Tabellenprogramm zu kombinieren, damit es auf jedem PC aufgerufen werden kann. Ein Durchbruch. Daten zu besitzen, ist zwar schön. Gewinnbringend aber ist erst die Fähigkeit, Wissen daraus extrahieren zu können. Das Suchmaschinen-Projekt wird zum Wickeltisch einer Anwendung, die Marktforscher heute eine "Revolution" nennen: Datameer-Software ist einfach, günstig und in der Lage, Daten zu sortieren, egal, ob sie bei Facebook, bei einer Krankenkasse, einer Behörde oder im Supermarkt anfallen.
Das Gefühl, auf etwas ganz Großes gestoßen zu sein, hatte Stefan Groschupf damals sofort. "Ich habe das auch einem Kollegen hier gesagt, der hat es nicht geglaubt." Heute lachen sie noch oft darüber.
Denn mittlerweile spielt der Softwarezwerg vom Saaleufer mit den ganz großen Jungs auf dem selben Platz. Datameers Aufsichtsrat liest sich wie ein Who-is-Who des kalifornischen Hightech-Adels. Groschupfs Geldgeber sind milliardenschwer, auf der Kundenliste steht von der US-Regierung über große Handelsketten, Internetfirmen und Telefongesellschaften alles, was Rang und Namen hat.
Heißer, so heißt es im Hightech-Mekka Mountain View, ist derzeit kein anderes junges Software-Unternehmen. Und dennoch ist die Freude des Datameer-Gründers nicht ungetrübt. Stefan Groschupf, der in San Mateo bei San Francisco lebt, aber noch häufig und gern nach Halle zurückkehrt, um Familie, Kollegen und Freunde zu besuchen, kann bis heute nicht verwinden, dass er fortgehen musste, um groß rauszukommen. "Es war einfach nicht möglich, in Deutschland Leute zu finden, die unsere Idee finanzieren", erinnert er sich. Gleichzeitig gebe auch Sachsen-Anhalt viel Geld aus, um amerikanische Unternehmen anzusiedeln, die Hightech oft nur im Namen tragen. "Ich würde mir wünschen, dass es andersherum wäre."
Groschupf, der den Namen seiner Firma absichtlich aus dem englischen Wort für Daten und dem deutschen "Meer" zusammengesetzt hat, glaubt an seine Heimatstadt Halle, die Region rundherum und die Menschen, die hier leben. "Es gibt unglaublich viele Talente, gut ausgebildet und clever", sagt er, der den Großteil seines Erfolges seinem Team zuschreibt. Ist er in den USA, spricht er viel von zu Hause, von Halle und Händel und von dem "tollen Team", das er hier hat. Eins mit dem Entdeckergeist amerikanischer Garagenfirmen, erklärt er. "Immer, wenn wir alle zusammen an die Ostsee gefahren sind, saßen wir plötzlich da und programmierten." Inzwischen haben Datameer-Mitarbeiter Aktienoptionen, Kollegen in New York und im Silicon Valley und vielleicht sogar die Aussicht, eines Tages in einer Firma zu arbeiten, die in einem Atemzug mit Giganten wie Autonomy oder SAP genannt wird. Mehr als 30 sind sie inzwischen, bis Jahresende sollen noch einmal so viele dazukommen. Die Branche boomt, die Nachfrage steigt, die Kunden sind begeistert. Stefan Groschupf weiß, was die großen Jungs aus dem Valley erwarten. "Die wollen ihr Geld nicht doppelt zurück, sondern vervielfacht", schmunzelt er. Und nein, das ist keine Vorstellung, die irgendjemandem in der Mansfelder Straße Angst macht.