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Silberschatz der Schützen

Von PETER GODAZGAR 23.06.2009, 16:14

HALLE/MZ. - Und weil so etwas nicht alle Tage vorkommt, war auch der zuständige Dezernent hinzugekommen: "Hier passiert etwas, was wir stärker fördern wollen", lobte Tobias Kogge. "Menschen besitzen Gegenstände, die ihnen lieb und teuer sind, und sie wollen sie nicht irgendwo aufbewahrt wissen, sondern im gepflegten und kultivierten Gedächtnis der Stadt."

Die Becher und Medaillen nun sind Zeugnisse eines einst höchst lebendigen Teils hallescher Stadtgeschichte. Mindestens 26 Schützenvereine habe es vor 1945 in der Saalestadt gegeben, weiß Chronist Hubert Mahlig, der seit Jahren zur Geschichte der halleschen Schützen forscht. Die jüngsten Kleinodien stammen aus dem Nachlass des im März verstorbenen Fotografen Thomas Molsberger, einem Enkel des Schützen Oskar Molsberger (1891 bis 1971).

Seit vielen Jahren steht der 71-jährige Mahlig in engem Kontakt zum Stadtarchiv; er hat der Einrichtung bereits zahlreiche Dokumente und Fundstücke überlassen. Entsprechend erfreut und dankbar ist Stadtarchivar Jacob über die Zusammenarbeit. "Das sind wertvollste Quellen zu dieser Art Brauchtum", sagte er am Dienstag.

Die Becher stammen aus den Jahren 1907 bis 1943. Das älteste Stück ist zugleich das schönste - außerdem verbindet sich mit ihm ein dramatisches Ereignis: Der Jugendstil-Becher aus dem Jahr 1907 wurde nämlich anlässlich des 23. mitteldeutschen Bundesschießens ausgelobt. Am 21. Juni jenes Jahres zerstörte jedoch ein Orkan das Schützengelände und den angrenzenden Rummelplatz. Die Inschrift des Silberbechers geht auf dieses Ereignis ein.

Hubert Mahlig übrigens war seit der Verbandsgründung im Jahr 1958 Mitglied des DDR-Schützenverbands. Inzwischen hat er sich aus dem aktiven Vereinsleben zurückgezogen; sein Ziel bleibt aber: Er will eine neue Chronik der halleschen Schützen schreiben.

"Wir brauchen Leute, die Geschichte leben", sagte Dezernent Kogge. "Und wir müssen Menschen motivieren, Geschichte zu bewahren." Das Stadtarchiv sei für derartige Fundstücke der ideale Ort, ergänzte Ralf Jacob, denn: "Archive sind keine toten Lagerflächen." Derzeit seien Stücke aus Halle bundesweit in einem halben Dutzend Ausstellungen zu sehen, sagte der Archivar.

In den Jugendstil-Becher aus dem Jahr 1907 habe er sich übrigens regelrecht verliebt, so Jacob. Darum kündigte er am Dienstag spontan an, den Becher noch der - soeben eröffneten - Schau "Mannsbilder" beifügen zu wollen.