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Sex in halleschen Pflegeeinrichtungen Sex in Pflegeeinrichtungen in Halle (Saale): Wunsch nach Zärtlichkeit

Von Julia Rau 18.02.2017, 10:48
Auch im Alter versiegt der Wunsch nach Nähe nicht.
Auch im Alter versiegt der Wunsch nach Nähe nicht. Peter Lisker

Halle (Saale) - Wo hört Versorgung auf und wo fangen Extra-Wünsche an? Um diese Frage kreist eine Diskussion, die die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, kürzlich im Bundestag ins Rollen brachte. Sie forderte, die Sexualassistenz für pflegebedürftige Menschen vom Staat finanziell fördern zu lassen. Sex auf Rezept, sozusagen.

Bewohner erhielt öfters Besuch von einer "Dame"

In Halle beschäftigen sich einige wenige Einrichtungen mit dem Thema Sexualität im Alter, ob nun mit oder ohne Professionelle. „Vor einiger Zeit gab es einen Bewohner, der regelmäßig von einer professionellen ,Dame’ besucht wurde“, sagt Susanne Pohl-Klette, Leiterin des Hauses Rabeninsel.

Die Angehörigen hätten davon nichts gewusst, das Pflegepersonal behandelte den Wunsch diskret. Wer ungestört sein möchte, hängt ein Smiley-Schild an die Tür. „Dann wissen wir, dass wir nicht ins Zimmer kommen sollen“, so Pohl-Klette. Sie vermutet, dass in den meisten Heimen diese Wünsche nicht vorgetragen werden, weil „die Generation, die jetzt hier wohnt, nicht so offen mit dem Thema Sex umgeht“. Sie schätzt aber, dass das Thema in Zukunft wichtiger werde.

Riebeck-Stiftung arbeitet an einem Sexualpädagogik-Konzept

Das sieht auch Katlen Rohne von der Paul-Riebeck-Stiftung so. „Wir befassen uns derzeit wenig mit dem Thema, wollen das aber ändern und erarbeiten gerade ein Sexualpädagogisches Konzept.“ Man wolle Mitarbeiter sensibilisieren. Außerdem ist ab März eine regelmäßige freiwillige Gesprächsrunde für Bewohner über Sexualität und Liebe angedacht. „Eine Sexualtherapeutin begleitet die Gespräche.“

Fast alle Heime geben an, dem Thema offen gegenüber zu stehen, Nachfragen von Bewohnern bleiben aber die Ausnahme. „Bei uns hat noch nie jemand gefragt, ob er sich eine Dame bestellen darf. Man müsste das ja auch nicht anmelden, im Zweifel bekäme ich das nicht mit“, sagt Annika Deml, Leiterin des Cura-Seniorencentrums.

Konstanze Winter von der Awo-Einrichtung „Inselblick“ meint: „Das ist komplett Privatsache der Bewohner, es gab allerdings nie den Wunsch, eine Prostituierte zu holen.“ „Wir haben da keinerlei Erfahrung“, sagt auch Pflegedienstleiterin Sandra Gittel von der Seniorenresidenz am Hufeisensee, „aber ich fände es gut, wenn der Staat das unterstützen würde. Bevor es vielleicht Schwierigkeiten gibt, weil jemand seine Wünsche nicht ausleben kann, ist dieser Weg besser.“

Liebes-Dienstleistungen für Heimbewohner: Mediziner skeptisch

Peter Jeschke, Mediziner für Neurologie und Psychiatrie hält vom Bezahlsex als Kassenleistung wenig. „Damit entsteht der Eindruck, man könne das sexuelle Bedürfnis eines Menschen ableisten, das ist doch primitiv und wird in keiner Weise dem Wunsch nach Intimität gerecht“, findet er. „Mit gekaufter Liebe einen Drang abzuwürgen, halte ich für unsinnig.“ Zumal die Leistungen keine Staatssachen seien, sondern private Wünsche. Er behandelt unter Anderem Pflegebedürftige, die durch ihren erhöhten Sexualtrieb Probleme mit ihrem Umfeld bekommen.

Stephanie Klee ist Vorsitzende des Bundesverbandes für sexuelle Dienstleistungen. Sie bemängelt an der Diskussion um Sex auf Rezept, dass oft von Sexualassistenten die Rede sei, wo eigentlich Prostituierte gemeint seien. „Grundsätzlich“, sagt sie „haben Menschen auch im Alter oder trotz Einschränkungen das Bedürfnis nach Nähe und Sex“, sagt sie.

(mz)