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"Sex for free" "Sex for free": Cocoon Fire legen heftig rockendes Meisterwerk vor

Von Steffen Könau 21.10.2018, 12:00
Christian Franke, Felix Heklau, Johanna Bratke und Jeremias Mertens aus Halle sind seit zehn Jahren Cocoon Fire - und mit ihrem neuen Album „Sex for free“ bereit, der ganzen Welt den Spiegel vorzuhalten.
Christian Franke, Felix Heklau, Johanna Bratke und Jeremias Mertens aus Halle sind seit zehn Jahren Cocoon Fire - und mit ihrem neuen Album „Sex for free“ bereit, der ganzen Welt den Spiegel vorzuhalten. Sascha Linke

Halle (Saale) - Eine Gitarre fetzt druckvoll los, das Schlagzeug setzt zum Überholmanöver an und Felix Heklau singt von Melodien, die den Kopf bombardieren, und einem Herzen, unempfindlich wie ein Panzer. Willkommen bei „Sex for free“, dem neuen Album der halleschen Band Cocoon Fire.

Willkommen bei Schnellzugmelodien wie bei den Kings of Leon, Iggy-Pop-Charme und Hymnen auf das Ende der Vernunft, versteckt in Songs, die den Vergleich zu The Killers oder Arctic Monkeys nicht scheuen müssen.

„Sex for free“: Cocoon Fire mit vierten Album

Das vierte Album des Quartett, in dem neben Sänger und Gitarrist Felix Heklau noch Christian Franke (bg), Johanna Bratke (git, key) und Jeremias Mertens (dr) spielen, ist eine Zäsur. Seit fast zehn Jahren steht die Besetzung, drei Alben erschienen in dieser Zeit, die die Wandlung der „blutigen Autodidakten“, wie es Felix Heklau nennt, zu einer Band mit dem Handwerkszeug zur Verwirklichung ihrer musikalischen Ideen dokumentieren.

„Sex for free“ (Hier gibt es das Album ab 26.10.18 bei Amazon), eingespielt im Erfurter Atomino-Studio (Max Prosa) ist nun zickig und zynisch, dynamisch und melodieselig; ein Soundtrack zum Untergang der Zivilisation, der es schafft, nicht düster, sondern geradezu gutgelaunt zu klingen.

Ein Kunststück mit langer Vorgeschichte. „Die ältesten Demos sind vom März 2016“, sagt Heklau, der alle Texte für Cocoon Fire schreibt, „wir haben wirklich extrem lange an den Songs gearbeitet.“ Wie der Vorgänger „Breaker“ folgt auch „Sex for free“ wieder einem Gesamtkonzept, das „ein Gesellschaftsbild zeichnen“ soll, wie Heklau beschreibt.

Neue Technik steuert den Alltag, der Wutbürger wird durch Fake News manipuliert und „die Stars der Jugend sind keine Sportler oder Rockstars mehr, sondern Blogger, die sich von Firmen kaufen lassen“. Heklau findet das erstaunlich. „Berühmt sind diese Menschen dafür, dass sie sich ständig zeigen.“ Gucken, schauen, starren: Über allem schwebt Sex, der Giererreger, das „größte Lockmittel“ (Heklau) und das Ziel, das der „Idiot Train“ (Titel) zu erreichen sucht. „Aber Sex steht stellvertretend für die vielen Sehnsüchte, die wir bequem mit der Tastatur stillen.“

„Es geht uns tatsächlich nur darum, Musik zu machen und gute Songs aus Leidenschaft zu schreiben“

Wie die US-Band MC5, die vor fast 50 Jahren kompromisslos ihrem eigenen Weg folgte, zielen Cocoon Fire nicht auf Erfolg durch Anpassung an Moden und Massengeschmack. „Der Weg ist das Ziel“, sagt Felix Heklau, „es geht uns tatsächlich nur darum, Musik zu machen und gute Songs aus Leidenschaft zu schreiben.“ Von Anfang an habe darüber Einigkeit bestanden, dass „wir unserem Sound nie etwas ändern werden, nur um Erfolg zu haben.“

Neue Songs wie „Blinded by life“ oder „Give up“ erinnern denn auch mehr an klassischen internationalen Rockstoff als an zeitgenössische Musik aus Deutschland: Das klingt lässig, rund und mehr nach Freeport/New York als nach Freiimfelde/Halle-Ost. Heklau kommentiert es achselzuckend. „Die Songs und unsere Fähigkeiten wachsen stetig, aber wenn das nicht so wäre, gäbe es die Band nicht mehr.“

Die hat über die Jahre Routinen entwickelt: Die Musik entsteht entweder beim Jammen im Proberaum „oder jemand bringt eine Idee mit, die wir dann gemeinsam ausfeilen“. Die CDs erscheinen beim eigenen Label Baboon Heart Records und können dank Internet weltweit downgeloadet und gestreamt werden.

„Aber unser Hauptanliegen ist das physische Album als CD oder Vinyl“, gesteht Felix Heklau, wie seine Kollegen Fan der großen Ära der großen Bands und großen Alben. Um unabhängig zu bleiben, finanzieren die vier von Cocoon Fire Studioaufnahmen und Tonträgerherstellung vor und „wir bemühen uns dann, das Geld wieder reinzuspielen“. Das sei schwer, sagt Heklau, gehe aber auch von Halle aus: „Wir haben Hörer bis in die USA, Großbritannien, Australien, Spanien, Frankreich, Kanada, Schweden, Russland, Japan, Norwegen, Indonesien und in die Schweiz.“

Albumpremiere im Objekt 5: Freitag, 26. Oktober 20 Uhr

Cocoon Fire, Sex for free, Baboon Heart Rec.
Cocoon Fire, Sex for free, Baboon Heart Rec.
Sascha Linke