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Seltenes Handwerk Seltenes Handwerk: Für Metallbildner "gibt es nichts was nicht geht"

Von Silvia Zöller 21.01.2017, 15:00
Auch alte Lampen restauriert Andreas Lau in seiner Werkstatt.
Auch alte Lampen restauriert Andreas Lau in seiner Werkstatt. Günter Bauer

Halle (Saale) - Aufträge, die hat Andreas Lau genug. Dabei ist der 72-Jährige längst im Ruhestand: „Ich habe mir voriges Jahr vier Tage Urlaub geleistet“, sagt der Mann, der nicht nur für die Halloren oder Privatleute Kostbares aus Metall restauriert oder neu herstellt: Von der Lampe über die Schnallen und Knöpfe der Halloren über Serviettenringe bis hin zu Abendmahlskelchen oder kunstvolle Schalen. Das alles ist in der Werkstatt entstanden, die er sich noch zu DDR-Zeiten in seinem Wohnhaus in der August-Bebel-Straße eingerichtet hat: Schraubstöcke, Lötgeräte, riesige Sortimente an Hämmern, Zangen und Formeisen stehen hier neben Poliermaschinen und anderen Geräten. „Ein anderer Gewerberaum war damals in Halle nicht zu finden“, erklärt er.

Der Beruf, den der Meister ausübt, ist als „Metallbildner“ bei der Handwerkskammer verzeichnet. Doch offiziell ist er Meister im edelmetallverarbeitenden Handwerk Gürtler - so steht es auch auf seiner Meisterurkunde. Mit dieser Berufsbezeichnung dürfte er einer der letzten in der Region sein: Denn seit 1997 ist daraus der „Metallbildner“ geworden.

Gürtler - hat das was mit Gürteln zu tun?

Gürtler - hat das was mit Gürteln zu tun? Im Prinzip ja, erklärt Andreas Lau: „Der Gürtler gehörte im Mittelalter zum lederverarbeitenden Gewerbe. Er verband Metallteile der Ritterrüstungen mit Leder.“ Später reduzierte sich die Aufgabe freilich auf die - kunstvolle - Verarbeitung von Metall.

Umso stolzer ist Lau auf einen Auftrag, den er in den 90er Jahren erhalten hatte und der wirklich noch etwas mit der Arbeit der mittelalterlichen Gürtler zu tun hatte: Die Nachbildung des „Goldhelm von Stößen“, einer Kopfbedeckung eines thüringischen Königs aus der Zeit um 500 nach Christus. Das Original ist im halleschen Landesmuseum, das Replik im Deubener Bergbaumuseum (Burgenlandkreis) zu sehen. Gefunden wurde der Helm um 1920 in einer Lehmgrube bei Stößen.

Beleuchtung des alten Leipziger Rathauses bearbeitet

Mitnichten ist das aber das einzige spektakuläre Werkstück, das Lau im Laufe von fast 40 Jahren in seiner Werkstatt bearbeitet hat. Die Beleuchtung des alten Leipziger Rathauses, die Restaurierung einer Kupferdecke in Specks Hof in Leipzig, Schmuckserien, Reparaturen an den Silberkelchen der Halloren - die Liste ist lang.

Aber auch Unspektakuläres wie Briefkästen oder sogar ein simples Schloss macht dem 72-Jährigen Spaß: „Jede Arbeit ist eine Herausforderung.“ Neulich brachte ihm jemand ein altes Schloss, in das ein moderner Profilzylinder eingebaut werden sollte. Was angeblich nicht möglich war. „Genau so etwas reizt mich auszuprobieren. Es gibt nichts, was nicht geht.“

Und so tickte der gebürtige Sachse aus der Stadt Wehlau schon als junger Mann: Der gelernte Klempner kam 1970 nach Halle, „der Liebe wegen.“ Klempner wollte er nicht sein Leben lang bleiben, sondern etwas anderes machen. Zum Beispiel ein Studium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, von der er nach Leipzig vermittelt wurde, um eine vorbereitende Ausbildung in der Metallbranche zu machen - letztlich wurde aus dem Studium jedoch nichts.

Zunächst als Meister in einer privaten Werkstatt in Leipzig

So arbeitete er zunächst als Meister in einer privaten Werkstatt in Leipzig, wo er knapp ein Dutzend Lehrlinge ausbildete. In den 80er Jahren berichtete ein Handwerkszeitung über den Betrieb: „Gürtler haben keine Nachwuchssorgen, es bewerben sich immer mehr Mädchen und Jungen als Lehrlingsplätze zur Verfügung stehen.“

Doch heute ist der Beruf ein aussterbender. Die jungen Leute, die Lau ausgebildet hat, arbeiten zumeist in anderen Berufen. In Halle und im Saalekreis sind nur noch jeweils zwei aktive Metallbildner gemeldet. „Es ist traurig, dass dieses Handwerk ausstirbt. Wenige Menschen haben heute den Mut, sich auf eine Sache einzulassen, sind zu wenig risikobereit“, bedauert Lau. (mz)

Facon- und Treibhämmer
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Günter Bauer
Das Wappen des Großen Kurfürsten schmückte einen historischen Atlas.
Das Wappen des Großen Kurfürsten schmückte einen historischen Atlas.
Günter Bauer