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Selbsthilfegruppe Inkontinenz Selbsthilfegruppe Inkontinenz: Wieder Herr über die eigene Blase

Von Kai Gauselmann 20.02.2004, 17:10

Halle/MZ. - Dieses Leiden ist so alt wie die Menschheit: Schon das "Papyrus Ebers", ein ägyptisches Schriftstück aus dem Jahre 1 100 vor Christus, erwähnt die Blasenschwäche und gibt Behandlungs-Tipps. Doch trotz vielen hundert Jahren Leidensgeschichte ist der Umgang mit der Inkontinenz immer noch verkrampft. "Viele sprechen nicht darüber, für sie ist das ein Tabu", sagt die Hallenserin Anneliese Allert.

Die Rentnerin hat eine Selbsthilfegruppe der Gesellschaft für Inkontinenz-Hilfe (GIH) gegründet und leitet sie. Vor etwa zehn Jahren machte sich bei ihr der Beginn einer Blasenschwäche bemerkbar. Bei körperlicher Belastung - besonders beim Springen, Laufen, Stolpern, Husten oder Niesen - hielt die Blase dem Druck nicht mehr vollkommen stand. Solch eine beginnende Inkontinenz werde oft nicht ernst genommen, auch nicht von jedem Arzt, sagt Anneliese Allert.

Doch sie wollte sich mit dem Leiden nicht abfinden, wollte selbst Herr ihrer Blase bleiben. Ein Gynäkologe verschrieb ihr Beckenboden-Training, sie fuhr in eine Kur und besuchte einen Kongress zum Thema Inkontinenz. So erwarb sich Anneliese Allert Wissen über Ursachen, Formen und die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten. Bei ihr ging die Inkontinenz auf zu schwaches Bindegewebe zurück, eine Folge von ihren insgesamt vier Geburten. Vor fünf Jahren ließ sie sich schließlich operieren. "Die Ärzte legten mir ein Bändchen um die Harnröhre. Das wächst ein, verfestigt das Gewebe und gibt der Harnröhre wieder mehr Halt." Zwar musste sie zur Sicherheit drei Tage im Krankenhaus bleiben, doch der Eingriff selbst dauerte nur eine halbe Stunde. Heute ist sie wieder frei von Beschwerden. "Ich kann wieder alles machen, hundertprozentig."

Am Freitag feierten die 75 Mitglieder der Selbsthilfegruppe Inkontinenz im Stadthaus das fünfjährige Bestehen ihrer Gruppe. Anneliese Allert, obwohl selbst geheilt, will die Gruppe weiterhin leiten. Sie kämpft mit einer Art missionarischem Eifer gegen die Inkontinenz - und damit gegen das schamhafte Verschweigen. "Viele ergeben sich in ihr Schicksal, wollen die Blasenschwäche verbergen. Teilweise sprechen sie darüber noch nicht einmal mit dem Partner."

Sie sieht einen entscheidenden Unterschied zwischen ihrer und anderen Selbsthilfegruppen: "Viele Gruppe zeigen, wie man mit einer Krankheit leben kann - wir wollen zeigen, wie man die Inkontinenz wieder los wird." Und für Anneliese Allert steht dafür zu Beginn eine Einsicht, eine Überzeugung, die sie oft und fast gebetsmühlenartig wiederholt: "Inkontinenz ist kein unabwendbares Schicksal."