Eine Schule am Limit Sekundarschule in Halle: Dreiviertel Migrationskinder, zu wenig Lehrer, veraltetes Gebäude - Eine Schule am Limit

Halle (Saale) - Zu volle Klassen, zu wenig Lehrer, ein veraltetes Gebäude und kein Förderunterricht: Die Probleme an der Sekundarschule Kastanienalle in Halle-Neustadt sind vielschichtig. Der Hilferuf, den die Schule in den Sommerferien in Richtung des Ministerpräsidenten abgesendet hat, zeigt seine Wirkung. Doch laut der kommissarischen Schulleiterin Beatrice Worm reichen die ergriffenen Maßnahmen längst nicht aus.
Bereits der Start in das neue Schuljahr verlief holprig. 30 Stunden des vorgesehenen Lehrplans können derzeit nicht unterrichtet werden, der Förderunterricht fällt komplett aus. Der Grund sind fehlende Lehrkräfte. 33 Lehrer arbeiten aktuell an der Gemeinschaftsschule, aber vor allem für das Hauptfach Mathematik fehlen Pädagogen.
Sekundarschule Kastanienallee in Halle: Von rund 400 Schülern haben über 300 einen Migrationshintergrund
Mit etwas Verspätung hat das Bildungsministerium auf diese Kritik reagiert. Eine Lehrerstelle für das Fach Mathematik wurde am Donnerstag für die Kastanienallee-Schule ausgeschrieben. Zwei weitere Stellen könnten zusätzlich besetzt werden, sollte es dafür qualifizierte Bewerber geben.
Wenn das Bewerbungsverfahren Erfolg hat, könnte sich zumindest diese Situation in den kommenden Monaten entlasten. Schulleiterin Worm betont jedoch die besondere Situation an der Schule. Von rund 400 Schülern haben über 300 einen Migrationshintergrund – also drei Viertel der gesamten Schülerschaft. Davon leben rund 160 Kinder und Jugendliche seit weniger als eineinhalb Jahren in Deutschland. Ihre wichtigste Aufgabe ist es zunächst, Deutsch zu lernen. Doch genau das ist bei großen Klassen kaum möglich.
Sekundarschule Kastanienallee in Halle: „Effiziente Sprachförderung kann nur bei Gruppen mit maximal 12 Kindern umgesetzt werden“
„Eine effiziente und individuell angepasste Sprachförderung kann nur bei Gruppen mit maximal 12 Kindern umgesetzt werden“, sagt die Schulleiterin. Aufgrund der hohen Schülerzahl, die diesen Bedarf haben, sei das an der Kastanienallee-Schule ausgeschlossen. Nicht alle Schulen in Halle würden Kinder mit Migrationshintergrund aufnehmen, sagt sie. „Da fühlt man sich als Schule zweitrangig“, fügt Worm hinzu.
Im Bildungsministerium sieht man unterdessen eine Lösung des Problems in der Verteilung. „Die Stadt hat die Möglichkeit bekommen, Schüler mit Migrationshintergrund besser zu verteilen“, sagt Bildungsminister Marco Tullner (CDU). Das wird laut der Stadtverwaltung bereits in Absprache mit dem Schulamt umgesetzt, wenn eine Schule Kapazitätsgrenzen erreicht.
Sekundarschule Kastanienallee in Halle: Lage wird Thema im Bildungsausschuss
Beatrice Worm gibt jedoch zu bedenken, dass es nicht nur um eine Umverteilung, sondern auch um eine gezielte Förderung der Kinder gehen sollte. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man diese Schüler besonders fördern muss, damit sie nicht hinten runterfallen“, sagte die Schulleiterin. Ein wichtiger Faktor sei die Anzahl an Sozialarbeitern. An der Sekundarschule ist bereits einer eingesetzt, Schulleiterin Worm wünscht sich allerdings noch einen zweiten Mitarbeiter. Kinder mit Migrationshintergrund seien ein Schwerpunkt an der Schule. Etliche Schüler stammen in Halle-Neustadt aber auch aus sozialschwachen Familien, die ebenfalls häufig eine verstärkte Betreuung brauchen.
In der kommenden Woche soll die aktuelle Lage an der Schule im Bildungsausschuss thematisiert werden. Die Verwaltung hat der Sekundarschule mittlerweile eine finanzielle Unterstützung zugesichert. Davon sollen beispielsweise stundenweise Lehrkräfte bezahlt werden.
Eine bauliche Verbesserung erhofft sich die Schulleitung zudem durch den geplanten Umzug an den Ausweichstandort am Holzplatz im kommenden Jahr. Viel Zeit bleibt den Behörden für den Neubau allerdings nicht mehr. (mz)