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SEK stürmt Wohnung in Halle-Neustadt SEK stürmt Wohnung in Halle-Neustadt: Rätselraten nach Polizei-Einsatz

Von Jan Schumann 18.08.2015, 05:39
SEK-Einsatz
SEK-Einsatz Archiv/Frank Gehrmann Lizenz

Halle (Saale) - Blitzschnelles Eingreifen bei Risiko-Einsätzen: Dafür ist diese Polizeieinheit bekannt. Das Spezialeinsatzkommando (SEK) wird nur bei den härtesten Fällen angefordert: Rockerfehden, Geiselnahmen, Bombendrohungen. Rein, raus, weg - oft sind die trainierten SEK-Männer die Wegbereiter für die Kollegen. Doch nach dem jüngsten Einsatz der Spezialeinheit in Halle-Neustadt herrscht Rätselraten bei den Ermittlern: Es fehlt sogar an einem Verdächtigen.

Ein glaubwürdiger Zeuge

Dass die vermummten Spezialkräfte in der Nacht zum Sonntag in den Wippraer Weg gerufen wurden, um eine Neubauwohnung zu stürmen, lag an der Brisanz eines Notrufs, abgesetzt gegen 23 Uhr. „Sehr glaubwürdig“ habe der Anrufer geschildert, dass mehrere Männer Schüsse von einem Balkon abgegeben hätten, sagt Polizeisprecherin Ulrike Diener.

Der Zeuge ist glaubwürdig - auf diesem Standpunkt verharren die Ermittler auch am dritten Tag nach dem erfolglosen Einsatz. Als die SEK-Männer 2.30 Uhr die Wohnung stürmten, trafen sie darin auf vier Frauen - jedoch keine Männer, auf die die Zeugenbeschreibung passte. Die Wohnungsmieterin erlitt einen Schock und wurde von einem Arzt behandelt.

Schleppende Ermittlungen

Offenbar laufen die Ermittlungen zäh. So ließ sich jedenfalls der gestrige Rapport der Polizei deuten. „Weil der Anrufer und weitere Zeugen ähnliche Angaben zu den Schüssen machten, läuft eine Anzeige gegen unbekannt“, sagte Polizeisprecherin Diener. Ermittelt werde wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Nun bittet die Polizei öffentlich um Zeugenhinweise: Augenscheinlich fehlen den Ermittlern bisher griffige Ansatzpunkte für die Untersuchung. Tatsächlich ist nicht zweifelsfrei geklärt, ob wirklich Schüsse fielen.

Der Einsatz des SEK hebt den Fall „Wippraer Weg“ auf ein außergewöhnliches Level. Denn die Hürden für das Anfordern dieser Spezialeinheit sind hoch. „Diese Spezialkräfte werden nur dann eingesetzt, wenn eine besonders hohe Gefährdung der regulären Polizeibeamten bestehen könnte“, sagt Andreas von Koß, Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) in Magdeburg. Dort ist das SEK angesiedelt. „Da in dem aktuellen Fall davon ausgegangen werden musste, dass sich Schusswaffen in der Wohnung befanden, war der Einsatz in Halle-Neustadt absolut gerechtfertigt“, fasst von Koß zusammen.

Masken sollen Gesichter verdecken

Also rückten die vermummten Polizisten an. SEK-Beamte sollen besonderen Schutz genießen: Die Masken tragen sie, um unerkannt zu bleiben - das ist der auffälligste Unterschied zu den regulären Polizeikollegen. Die Hürden dafür, im Polizeidienst einen SEK-Trupp anzufordern, sind: Ein Einsatz muss von mehreren Instanzen im Polizeiapparat abgesegnet werden - und zwar in der Regel dann, wenn die Gefahrenlage vor Ort bereits akut ist.

„Diese Entscheidung fällt in von wenigen Minuten“, sagt LKA-Sprecher von Koß. „Zentral ist, dass zunächst die Polizeidirektion in Halle grünes Licht gibt.“ Diese ist für den Süden Sachsen-Anhalts zuständig, fordert die Einsatzkräfte beim LKA in Magdeburg an. „Beim Landeskriminalamt sind rund um die Uhr Spezialistenteams im Einsatz, die das Gefahrenpotenzial aktueller Einsätze prüfen und einschätzen können.“ Wenn das „OK“ aus dem Magdeburger Lagezentrum kommt, wird dort entschieden, welche Spezialisten in den Einsatz geschickt werden. „Dann ist die Frage: Präzisionsschütze, Sprengstoffexperte oder etwa ein Zugangstechniker zum Türenaufbrechen“, sagt von Koß.

Spezialeinheit war in Halle mehrfach aktiv

In Halle war die Spezialeinheit in diesem Jahr bereits mehrfach aktiv: Erst im Juni hatte das SEK in der Silberhöhe die Wohnung eines 39-Jährigen aufgebrochen. Tatsächlich erinnert der Fall von damals an den aktuellen Einsatz im Wippraer Weg. Der Mann hatte vom Balkon seiner Wohnung mit einem Luftgewehr auf eine Gruppe von Fußgängern gezielt. In der Silvesternacht wurde der vermummte Polizeitrupp in den Rockendorfer Weg beordert, als ein 22-Jähriger Mann seinem Bruder mit einer Schusswaffe drohte. Landesweit absolvierte das SEK im vergangenen Jahr nach Polizeiangaben 107 Einsätze, dies entspricht ungefähr der Größenordnung der Vorjahre.

Polizei bittet um Zeugenhinweise

Dabei kooperiert das SEK häufig mit einer Spezialeinheit, die zwar ähnlich heißt, der Öffentlichkeit aber beinahe unbekannt ist: Das MEK, also das Mobile Einsatzkommando, bereitet geplante Zugriffe vor, späht aus, arbeitet in zivil und verdeckt. Selten nehmen Beamte dieser Truppe selbst Verdächtige fest - obwohl sie dies im Notfall können. Im Wippraer Weg war das MEK laut Polizeisprecherin Antje Hoppen nicht im Einsatz. „Es ging in der Nacht um die zeitnahe Gefahrenabwehr, also die schnelle Suche nach der Waffe.“ Doch auch diese Suche blieb bis dato erfolglos - was am Ende bleibt, ist die Vernehmung der Zeugen.

Zeugenhinweise nehmen die Beamten des Polizeireviers unter der Nummer 0345/224 20 00 entgegen. (mz)