1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Schach: Schach: Die gute Seele bleibt in der Hektik gelassen

Schach Schach: Die gute Seele bleibt in der Hektik gelassen

Von CHRISTOPH KARPE 21.02.2011, 20:21

Halle (Saale)/MZ. - Frohen Mutes stieg Jürgen Luther am Samstagfrüh, so kurz nach Sechs, in Queis ins Auto. Das Ziel hieß Hamburg, wo am Wochenende Halles Schachfrauen ihre Bundesliga-Partien gegen die Mannschaften aus Torgelow und Guben austragen würden. Der Teamleiter war, wie immer, der Chauffeur. Dann, in Reideburg, krachte es. Ein Stein flog in die Windschutzscheibe. Das Kopfsteinpflaster in der Delitzscher Straße gab ihr den Rest. Luther bewegte seinen Wagen vorsichtig in die Südstraße. Dort wartete Constanze Jahn, die erste Spielerin, die er abholen musste. Doch klar war: Mit seinem Auto ging's nicht weiter. Der Zeitplan geriet in Gefahr. 14 Uhr sollte das Duell gegen Torgelow beginnen. Wer zu spät kommt, hat verloren. Das durfte nicht passieren. Die letzte Chance auf die Titelverteidigung für das Volksbank-Team wäre geplatzt.

Ein Auto musste her. Also wurde das von Constanze Jahn aus dem Winterschlaf geholt - sie wollte eigentlich bis März nur der halleschen Straßenbahn vertrauen. Nun bekam der Seat frisches Öl, wurde der Tank gefüllt. Hektisch ging's los Richtung Magdeburg, wo Tatjana Melamed wartete. Einsteigen, weiter. Der Seat schnurrte. 11.30 Uhr war Hamburg erreicht. Doch die Hektik hatte Luther gezeichnet. "Zum Glück hatte ich einen Zeitpuffer eingeplant", sagte er.

Eine ließ die ganze Aufregung von sich abprallen: Constanze Jahn. Die 48-jährige "gute Seele der Mannschaft", wie Luther sie beschreibt, spielte eine ausgebuffte Partie. Mit einem Bauern-Opfer lockte sie ihre Torgelower Gegnerin in eine Falle, gewann einen Läufer und steuerte einen Siegpunkt zum am Ende ungefährdeten 4,5:1,5-Erfolg bei.

Am nächsten Tag gegen Guben agierte Constanze Jahn wieder lehrbuchreif, stand im Vorteil. Die Kontrahentin schwitzte vor Zeitnot, der Sieg lag zum Greifen nahe. Doch weil zu diesem Zeitpunkt des Mannschaftsduells ein Remis bereits zum Gesamtsieg reichte, entschied Teamleiter Luther: "Biete es an." Jahn tat es - sehr zur Überraschung der verzweifelten Gegenüber. Teamgeist zählt, sonst nichts. 4,5:1,5 wurde dann auch Guben von den sechs Brettern gefegt. Die Meisterschaft bleibt greifbar.

Auch dank Constanze Jahn. Mit ihren 2 153 Elo-Punkten ist sie nominell nur die Zehnte in der Rangliste der USV-Spielerinnen. Doch weil die vor ihr liegenden Nikoletta Lakos und Anke Lutz in dieser Saison eine Babypause einlegen, Jordanka Belic in Serbien eine Firma aufbaut und Claudia Eckhardt seit ihrer kurzfristigen Absage für den Europacup im Oktober schlechte Karten bei Luther hat, spielt Jahn. "Und sie macht ihre Sache prima. Auf sie ist immer Verlass", sagt Luther, der sie wegen "ihrer Autorität und ihres Könnens" auch als Co-Trainer einsetzt.

Wie klappt es nun noch mit der Meisterschaft? Schützenhilfe ist gefragt. In der vorletzten Runde müsste Großlehna, das um Rang drei kämpft, noch Spitzenreiter Baden-Baden schlagen. "Was durchaus möglich ist", wie Luther sagt. Dann gäbe es einen Stichkampf um den Titel. Fest steht: Silber haben Jahn und Co. sicher.