1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Rocker-Prozess: Rocker-Prozess: Verteidigung stellt Strafanzeige wegen Schöffenliste

Rocker-Prozess Rocker-Prozess: Verteidigung stellt Strafanzeige wegen Schöffenliste

Von Katrin Löwe 27.08.2012, 06:49
Der Angeklagte Daniel K. wird von Beamten in den umfangreich gesicherten Verhandlungssaal des Landgerichts Halle (Saale) gebracht (FOTO: DPA)
Der Angeklagte Daniel K. wird von Beamten in den umfangreich gesicherten Verhandlungssaal des Landgerichts Halle (Saale) gebracht (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Halle (Saale)/MZ. - Es war ein mühsamer Weg, bis Staatsanwalt Klaus Wiechmann am zweiten Prozesstag um einen mutmaßlichen Rockerbandenkrieg in Halle die Anklage verlesen konnte. Und verglichen mit den Verzögerungen, die es seit Prozessbeginn vergangenen Donnerstag gab, und einem vermeintlichen Justizskandal ging der relativ kurze Vortrag fast unter.

Daniel K. (39), führendes Mitglied der Rockergang "Bandidos" soll im Mai mit einer Kleinkaliberpistole dreimal auf den mutmaßlichen Präsidenten der rivalisierenden "Underdogs" geschossen haben. Das Opfer wurde am Hals und an der Brust getroffen und lebensgefährlich verletzt. Dem Angeklagten drohen elf Jahre Haft wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.

Beinahe schien der Prozess am Montag allerdings aufgrund einer Formalie noch vor der Anklageverlesung zu platzen. Die Verteidigung rügte einen - aus ihrer Sicht folgenreichen - Fehler bei der Besetzung einer Schöffin, erstattete Anzeige gegen Unbekannt wegen Manipulierung einer Hilfsschöffenliste.

Einer wurde übersprungen

Hilfsschöffen kommen zum Einsatz, wenn ein regulär geplanter Schöffe in einem Prozess verhindert ist. Bei ihrer Auswahl muss die Reihenfolge, in der sie auf einer Liste des Gerichts stehen, eingehalten werden. Aufgrund einer Personenverwechslung sei im Februar 2011 aber ein Hilfsschöffe übersprungen worden, monierte Verteidiger Mario Müller. Das damalige Verfahren begann deshalb neu. Der Fehler auf der Hilfsschöffenliste sei aber nie richtig korrigiert worden. "Es geht nicht um die Frage, ob der Verteidigung ein Schöffe passt oder nicht, sondern darum, ob ein Gericht ordnungsgemäß besetzt ist", sagte Müller.

Aus seiner Sicht gibt es nicht nur Auswirkungen auf den aktuellen Prozess. Weil damals ein Schöffe übersprungen wurde, sagt er, wären alle seitdem am Landgericht eingesetzten Hilfsschöffen - insgesamt 200 - eigentlich noch nicht an der Reihe und die Kammern in den betroffenen Prozessen nicht korrekt besetzt gewesen. Das würde nicht nur Verteidigern die Möglichkeit geben, eine Wiederaufnahme bereits abgeschlossener Verfahren zu beantragen - aus Müllers Sicht hätten auch derzeit laufende Prozesse ausgesetzt werden müssen, bis das Problem behoben ist.

Rüge zurückgewiesen

Allerdings: Die Kammer um den Vorsitzenden Richter Jan Stengel sieht gar kein Problem. Für Prozesse sei immer nur im Einzelfall entscheidend, dass der jeweils nächste auf der Schöffenliste ausgewählt wird. Ob das Rotationsprinzip irgendwann einmal unterbrochen war, wäre demnach unerheblich. Ergo: Die Rüge der Verteidigung wurde als unbegründet zurückgewiesen. "Das Gericht ist ordnungsgemäß besetzt", so Stengel, die Hilfsschöffenliste nicht grundsätzlich fehlerhaft. Die Verteidigung will sich am nächsten Prozesstag zu dem Beschluss äußern - mit welchen Folgen, ist noch offen.

Zuschauer im Prozess gegen ein mutmaßliches Mitglied des Motorradclubs «Bandidos» sitzen am Donnerstag im Landgericht Halle (Saale) hinter einer Panzerglasscheibe. (FOTO: DPA)
Zuschauer im Prozess gegen ein mutmaßliches Mitglied des Motorradclubs «Bandidos» sitzen am Donnerstag im Landgericht Halle (Saale) hinter einer Panzerglasscheibe. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild