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Rechtsstreit droht Rechtsstreit droht: Was wird mit tausenden Garagen in Halle?

Von Dirk Skrzypczak 23.09.2017, 06:00
Rund 10.000 Garagen gibt es in solchen Komplexen in Halle.
Rund 10.000 Garagen gibt es in solchen Komplexen in Halle. Symbolbild/Dorn

Halle (Saale) - Seit fünf Jahren hat Lutz Frommelt seine Garage am Rennbahnring in Halle-Neustadt. „Natürlich könnte ich das Auto auch auf die Straße stellen. Aber so ist es natürlich sicherer“, sagt er. 140 Garagen sind hier mit der Lärmschutzwand verbunden, die die Wohnhäuser vor dem Straßenlärm der B 80 zumindest teilweise bewahren soll.

Doch auf den Garagenverein „An der Pferderennbahn“ kommt Ungemach zu. Die Landesstraßenbaubehörde (LSBB) will laut Stadtverwaltung die Lärmschutzwand sanieren. Dafür müsste die alte Wand abgerissen und versetzt werden - sie soll einen Meter zu nah an der B 80 stehen. „Die an die Lärmschutzwand angeflanschten Garagen sind deshalb nicht zu halten“, heißt es in einer Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage des CDU-Stadtrats Andreas Schachtschneider.

Vertrag läuft aus

„Ich kann es kaum glauben. Viele Nutzer haben kräftig investiert, sich zum Teil neue Tore angeschafft. Die Stadt kann uns doch nicht einfach so hier rauswerfen“, meint Frommelt. Oder kann sie es doch? Der Garagenkomplex war vor rund 40 Jahren auf städtischem Grund und Boden errichtet worden. „Die Stadt hatte für den Bau der Garagen damals keinen Cent bezahlt. Das haben die Leute in Eigenregie getan“, sagt Bernd Gehler, der Vorsitzende des Garagenvereins, der von der MZ von dem drohenden Aus erfuhr.

Nach dem Mauerfall trat das Schuldrechtsanpassungsgesetz in Kraft. Es regelt übergangsweise den Bestandsschutz von Gebäuden, die auf fremden Grund und Boden errichtet worden waren. Voraussetzung: Grundstücksbesitzer und Immobiliennutzer mussten bis zum 2. Oktober 1990 einen Vertrag schließen. 10.000 Garagenstellplätze im Stadtgebiet Halle waren in der DDR auf öffentlichen Grundstücken gebaut worden, für etwa 9.300 treffen die Regelungen des Schulrechtsanpassungsgesetzes zu.

Der Garagenverein „An der Pferderennbahn“ hatte 1989 einen Nutzungsvertrag mit der Stadt für 30 Jahre geschlossen. Am 31. Dezember 2019 läuft er aus. Fallen dann die Garagen?

Verein kritisiert die Stadt

Der Verein werde sich wehren, kündigt Bernd Gehler an. „Wir lassen uns nicht zum Sündenbock machen, nur weil andere jahrelang geschlafen haben.“ 9 500 Euro Pacht pro Jahr zahle der Verein an die Stadt. Hinzu kämen Investitionen wie in die neue Elektroanlage. Rund 400 Euro müsse jeder Garagenbesitzer dafür abdrücken. „Wenn wir das nämlich nicht machen, dann verlieren wir unseren Versicherungsschutz“, sagt Gehler. 50 Garagen habe man bereits umgerüstet.

Der Vereins-Chef nimmt die Stadt in die Pflicht. Nach der Wende habe Halle 25 Jahre lang nichts für den Erhalt der Lärmschutzwand getan. „Dann wurde das Ortseingangsschild verrückt, weil die Stadt die B 80 und ihre Nebenanlagen nicht mehr an der Backe haben wollte.“ Seitdem ist die LSBB zuständig. Und die Behörde sieht die Standfestigkeit der Lärmschutzwand nicht mehr gegeben und spricht von einem dringenden Handlungsbedarf.

Die große Prüfung

In diese Thematik passt eine Anfrage der Linksfraktion im Stadtrat aus dem März dieses Jahres. Die Genossen wollten wissen, wie es generell um die Garagen aus Altbeständen bestellt ist, die auf städtischem Boden stehen. Die Vertragsverhältnisse sind differenziert. Die Palette reicht von 1.200 Einzelverträgen, die unter das Schuldrechtsanpassungsgesetz fallen, bis zu Kontrakten mit 71 Garagengemeinschaften.

Mit 19 von ihnen hatte der damalige Rat der Stadt Halle-Neustadt 1989 die Verträge für 30 Jahre geschlossen - alleine das sind in Summe 6.070 Stellplätze. „Die weitere Verfahrenweise hinsichtlich der Verträge wird geprüft“, erklärte im März die Beigeordnete Judith Marquardt. Anfang 2018 soll Klarheit herrschen.

Offen ist, ob sich der Abriss der Anlage am Rennbahnring doch noch vermeiden lässt. Die Stadt ist nach eigenen Angaben mit der LSBB noch in Gesprächen. (mz)