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Rechtsmedizin in Halle Rechtsmedizin in Halle: Stille Helden im Labor

Von Sandy Schulze 29.03.2016, 08:18
Birgit Wypior (links) und ihre Chefin Uta-Dorothee Immel untersuchen in Institut für Rechtsmedizin Knochen.
Birgit Wypior (links) und ihre Chefin Uta-Dorothee Immel untersuchen in Institut für Rechtsmedizin Knochen. Jens Schlüter

Halle (Saale) - Wie hieß doch gleich der Kollege von Rechtsmediziner Boerne im Tatort? „Thiel“, schallt es um die Ecke. Genau, die beiden mögen sie, sagt eine Kollegin. Auch wenn ihre Arbeit hier ganz anders aussieht. Ohne große öffentliche Aufmerksamkeit, als stille Helden. Die Rechtsmedizin kann in Halle auf eine lange Geschichte zurückblicken. Die ersten Vorlesungen auf dem Gebiet gab es hier schon im 18. Jahrhundert. Heute wird am Institut neben Gebieten wie dem Sektionsbereich und der Toxikologie auch in der Forensischen Molekulargenetik gearbeitet.

Zusätzlich zur Leiterin Uta-Dorothee Immel gehören fünf weitere Mitarbeiterinnen zum Team. „Unter Medizintechnischen Assistenten gibt es meistens mehr Frauen als Männer, im Sachverständigenbereich ist das Verhältnis ausgeglichener“, sagt Birgit Wypior, die im Franzosenweg ebenfalls als MTA arbeitet. Zusammen bearbeitet das Team Fälle aus ganz Sachsen-Anhalt. Zwar existiert in Magdeburg eine Nebenstelle für Rechtsmedizin, die forensische Molekulargenetik wird dort aber nicht bedient.

Zwei Arten von Anfragen

In dem Fachbereich werden hauptsächlich zwei Arten von Anfragen bearbeitet. Zum einen zu Vaterschafts- und Abstammungsbegutachtungen für Familiengerichte, Jugendämter, Privatpersonen oder zur Familienzusammenführung auch für Ausländerbehörden. Zum anderen werden im Labor Spurengutachten erstellt. Dort sind die Arbeiten vielfältig und gehen weit über Blutspuren hinaus. Geht es um beschlagnahmte Gegenstände etwa, kann zum Beispiel festgestellt werden, ob eine Flasche zum Trinken oder zum Schlagen benutzt wurde. Auch kann ermittelt werden, ob ein Verdächtiger eine bestimmte Jacke getragen hat. Dazu wird innen am Kragen nach Spuren gesucht. Über eine Anfrage an eine Datenbank des Landeskriminalamtes können den Spuren bestenfalls Personen zugeordnet werden - oder auch ohne Identifikation eines Verdächtigen auf die Verbindung mit anderen Spuren hinweisen. Namen sind dabei anonymisiert. Um während der Arbeit keine Spuren zu verwechseln, helfen sich die Kollegen gegenseitig beim Überprüfen. Genauigkeit und Disziplin sind am Institut unerlässlich.

Etwa zwei Mal pro Woche muss eine tote Person identifiziert werden. „Die Methoden dabei wiederholen sich, aber jeder Fall ist anders,“ sagt Birgit Wypior. Vor allem auch, weil es hinter dem Namen eine Familie gibt: „Selbst wenn ein Angehöriger vielleicht vorher sechs Monate nicht mehr gesehen wurde, wird sich möglichst schnell Klarheit über den Tod und die Umstände gewünscht.“ Anhand von Material wie Knochen oder Zähnen werden DNA-Proben verglichen. Manche Fälle bereiten auch Kopfzerbrechen und werfen Fragen auf: „Wen können wir noch einbinden? Was können wir selbst noch tun? Können wir Unteraufträge verteilen? Denn wir sind in Deutschland sehr gut vernetzt“, sagt Uta-Dorothee Immel.

Mord und Sexualdelikte haben Vorrang

Weil es unmöglich ist zu planen, wie viele Fälle zu bearbeiten sind, wird nach Dringlichkeit vorgegangen. Mord und Sexualdelikte haben Vorrang. Aber selbst, wenn es einmal weniger Aufträge gibt: „Ich habe hier noch nie eine ruhige Phase erlebt“, sagt Birgit Wypior. Denn besonders wichtig sind auch Aufgaben im Qualitätsmanagement des Labors. Uta-Dorothee Immel übernimmt ist außerdem in der Lehre tätig. Vor ihrer Anstellung als Leiterin des Labors hat sie in der Verhaltensbiologie und als DNA-Sachverständige für das Landeskriminalamt in Brandenburg gearbeitet: „Dort hat mir der Kontakt zu den Studenten gefehlt.“

Das Labor-Team nimmt zudem an Ringversuchen teil, die der Qualitätskontrolle dienen. Bei solchen Versuchen müssen Proben ausgewertet und die Ergebnisse eingesandt werden. Im Folgejahr werden die Ergebnisse anonym in einem Workshop ausgewertet, der auch schon in Halle ausgerichtet wurde. (mz)