Rechtschreibung: alles neu, oder?
Halle/MZ. - Die Antwort bei Presseamtsmitarbeiter Klaus Pankow fällt zunächst kurz und bündig aus: "Nichts". Bei den offiziellen Schreiben, die das Rathaus verlassen oder im Rathaus kursieren, gelte ja bereits seit sieben Jahren die reformierte Rechtschreibung. Gleiches verlautet aus dem Landratsamt Saalkreis, dessen Sprecher Steffen Fischer festgestellt hat, dass die Reform auch unter seinen Kollegen "längst kein Thema mehr ist".
Hartmut Maurer, der Sprecher (und Schreiber) der Halleschen Wohnungsgesellschaft (HWG), der selber dank guter Orthographie-Programme seines Dienstcomputers mit der Reform im bestem Einvernehmen steht, hat anhand der Post, die sein Unternehmen erreicht, eine interessante Beobachtung gemacht. "Von den über 50-jährigen Briefschreibern negiert bestimmt die Hälfte die neue Rechtschreibung."
Mit Beobachtungen dieser Art auseinander setzen muss sich Ingrid Kühn. Doch die hallesche Germanistik-Professorin sieht solche Haltungen äußerst gelassen - was in ihrer Branche zuletzt allerdings nicht selbstverständlich war. Ihr Motto lautet: "Toleranz im Umgang mit Andersschreibenden." Schließlich kennt die Hochschullehrerin die Verweigerungshaltung gegenüber den neuen Regeln auch von vielen Gelehrten-Kollegen aus anderen Uni-Fakultäten, die "gern am einmal Gelernten festhalten".
Auch die Tatsache, dass demnächst wieder Grenzen - nämlich Orthografie-Grenzen - quer durch Deutschland verlaufen, findet die Professorin nicht wirklich tragisch. Schließlich könne man ja auch in anderen Beziehungen gut mit den regionalen Unterschieden leben.
Bleibt jedoch noch die Frage, wie künftig Halles offizieller Schriftverkehr etwa mit den bayerischen Reformverweigerern ablaufen soll. Korrespondiert demnächst das Rathaus mit dem Lederhosenland höflichkeitshalber alt-orthografisch? - Der Presseamtsmann Klaus Pankow denkt darüber nicht mal eine Sekunde lang nach: "Nix da", sagt er selbstsicher, und begründet's auch gleich auf Bayerisch: "Mir san mir!" Seite 4