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Pralinenseminar Pralinenseminar: Chocolatier für einen Tag

Von MARLENE KÖHLER 18.12.2009, 18:20

Halle/MZ. - Vor jedem steht ein Teller mit Schoko-Hohlkörpern; auf der einen Seite weiße Sterne, auf der anderen Zartbitter-Kugeln. In der Mitte Schüsseln mit Gewürzen für die Füllungen und Elemente zum Verzieren. Außerdem Teller mit fertigen Pralinen - Naschen ist erwünscht während der dreieinhalb Stunden, die der Kurs dauert.

"Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel. Man weiß nie genau, was man bekommt", sagt Tom Hanks alias Forrest Gump in dem gleichnamigen Film. Die inzwischen weltberühmte Lebensphilosophie mag allgemein ja zutreffen. Doch die fünf Chocolatiers aus dem Hause "Halloren", Deutschlands ältester Schokoladenfabrik, können darüber nur lächeln. Für ihre Pralinenschachteln verbürgen sie sich. Da wissen sie genau was drinsteckt. Seit ein paar Jahren geben sie ihr Wissen weiter in Pralinenseminaren.

Die boomen in Halle. Jetzt vor Weihnachten ist ein Run auf die Seminare ausgebrochen, viele wollen ihren Lieben selbst gemachte Pralinen unter den Tannenbaum legen. Ganze Teams haben sich angemeldet und verbinden dies mit kollektiven Feierlichkeiten. Und obwohl es fünf Kurse pro Woche gibt, normalerweise sind es nur zwei, ist die Nachfrage so groß, dass mancher bis April warten muss und mit seiner Eigenkreation erst zu Ostern aufwarten kann.

Bevor es losgeht, teilen Chocolatier Tobias Bowitzky und seine Assistentin Cornelia Weidig die dekorativen roten Schürzen aus. Die können die sechs Teilnehmer - fünf Frauen und ein Mann - am Ende mit nach Hause nehmen. Wie auch die Rezepte und all die Köstlichkeiten, die sie an diesem Nachmittag herstellen. "Ihr werdet von Anfang bis Schluss alles selbst machen. Ich erkläre euch die einzelnen Schritte und überwache die Qualität", sagt Tobias, nachdem die Namensfrage ("wir reden uns hier alle mit Vornamen an") geklärt ist.

Als Erfinder der Praline gilt der deutsche Koch des Herzogs de Plessis-Praslin (1598-1675), der unter Ludwig XIV., dem Sonnenkönig, diente und sein Konfekt aus Mandeln und Zucker nach seinem Herrn benannte. Eine Praline ist nur dann eine Praline, wenn sie in mundgerechter Größe, mit Füllung und mindestens 25 Prozent Schokoladenanteil auftritt. Trüffel sind die meist kugelförmigen Pralinen, die eine hochwertige Masse, die Canache, enthalten. Hier ist immer Butter und Sahne im Spiel, erfahren die Schokoladenlehrlinge von dem schlanken 27-jährigen Meister, der aus Wittenberg stammt. Dort hat er in der Konditorei Jäger gelernt und sich anschließend drei Jahre bei einem der Großen der Branche, der Patisserie Sindern in Recklinghausen, weitergebildet.

Drei Sorten stehen heute auf dem Plan: Marc de Champagne Trüffel in weißer Schokolade, Spritzpralinen mit Amaretto und Marzipan-Pralinen. Eigentlich braucht die Pralinenherstellung viel Muße, sagt der Chocolatier. Zwei Tage rechnen die Fachleute dafür, die im "Pralineum" der Halloren-Fabrik vor den Augen der Besucher feinste Kreationen fertigen. Einen Tag für die Füllungen, die dann ziehen müssen, den zweiten Tag fürs Einfüllen, Ummanteln und Verzieren.

Soviel Zeit ist in den Kursen nicht, aber die Teilnehmer lernen, wie es geht und wie sie es zu Hause nachmachen können. Hier ist erstmal Arbeitsteilung angesagt. Frank, der Hausmeister aus Meerane, muss Butter schlagen, die Frauen geben Schokolade, Sahne, Honig und hochprozentigen Alkohol dazu. Von letzterem darf es ruhig ein bisschen mehr sein, ermuntert Tobias, denn Alkohol verzieht sich und man soll ja am Schluss noch etwas davon schmecken. Darum wird im Champagner-Trüffel kein Sekt, sondern Grappa verarbeitet, lüftet er ein Geheimnis.

Nun wird's knifflig -Tüten drehen, große für die Füllungen, kleine zum Verzieren. Papier in verschiedenen Größen liegt vor jedem Teilnehmer. Ilona, Köchin aus Gablenz bei Cottbus, geht das leicht von der Hand. Sie hat sogar noch die Zeit, ihren Freundinnen Diana, Silke und Britt zu helfen. Die vier Frauen sind am Morgen mit dem Zug in Cottbus gestartet, um pünktlich um 14 Uhr in Halles Schokoladenfabrik zu sein. Um 20 Uhr geht ihr Zug zurück in die Heimat, ein aufregender Tag. Aus dem Internet hatten sie von den Seminaren erfahren und sich im Februar für den Dezembersamstag angemeldet.

Katrin aus Leipzig hat einen Gutschein von ihrer Merseburger Schwiegermama geschenkt bekommen, "weil sie weiß, dass ich gern Torten dekoriere und kreativ bin". Der Spaß kommt nicht zu kurz , obwohl es Schlag auf Schlag geht: Schokolade ist im Wasserbad zu schmelzen, dann wird sie auf einer kühlen Arbeitsplatte temperiert und vorkristallisiert, es entsteht positive und negative Schokolade. Schabertest, Taler und Rosetten spritzen, Marzipan kneten, Drei- und Vierecke schneiden, igeln. Wie bitte? Wenn man in Schokolade getauchte Pralinen mit der Gabel auf einem Gitterrost dreht, entsteht die typische Trüffel-Oberfläche, die an Igel erinnert. Nun noch filieren, Muster zeichnen, Streifen, Punkte, Ornamente.

Köchin Ilona hat Sachen drauf, die selbst den Meister staunen lassen. Für Menschen wie sie sollen demnächst auch Fortgeschrittenen- und themenbezogene Seminare angeboten werden. Heute aber sind alle zufrieden mit dem Einsteigerkurs und gehen nach Hause mit vielen Erfahrungen und einer Urkunde, die sie ausweist als "Chocolatier für einen Tag".